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Aus: Ausgabe vom 06.09.2024, Seite 14 / Medien
Monatsmonitor Medienwirtschaft

Heavy Investments

US-Investor KKR investiert nicht nur, sondern verändert ganze Branchen. Alles zum Zweck des Maximalprofits
Von Gert Hautsch
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Die Übernahme von Politico durch Springer wäre ohne KKR im Rücken nicht möglich gewesen

Die US-Investmentfirma KKR gehört global zu den mächtigsten und aktivsten Finanzinvestoren. Heute übertrifft sie mit Beteiligungen an mehr als hundert Unternehmen und 200 Milliarden US-Dollar verwaltetem Vermögen nicht wenige Staaten an Wirtschaftskraft. Sie »investiert« in vielen Branchen, gerne auch im Medienbereich. Ende 2006 hatte sie zusammen mit ihrem »Kollegen« Permira für rund drei Milliarden Euro den Fernsehkonzern Pro-sieben-Sat.1 Media (P7S1) gekauft. Die Finanzierung lief auf Pump, Zinsen und Tilgung musste die P7S1-Gruppe zahlen, ebenso die satten Dividenden jedes Jahr. Möglich wurde all das durch mehrere Kürzungs- und Entlassungswellen. Im Januar 2014 verkauften KKR und Permira das Unternehmen über die Börse und kassierten um die vier Milliarden Euro.

Als börsennotiertes Unternehmen ist P7S1 zum Spielball für Investoren und Spekulanten geworden. Das wusste KKR für die schnelle Million zu nutzen: Ende 2020 schnappte man sich ein Aktienpaket und stieß es acht Monate später mit 50 Millionen Euro Profit wieder ab. Die Mehrheit am Bertelsmann-Musikverlag BMG blieb immerhin von 2009 bis 2013 im Besitz. Kaufen und teurer verkaufen, das ist das Geschäftsprinzip von Finanzinvestoren. Aber KKR geht nun vermehrt dazu über, neue Strukturen in der Medienwirtschaft zu erzeugen: Von »Heavy Investments« ist dann die Rede.

Im Mai 2019 erwarb KKR für 3,3 Milliarden Euro eine »strategische Beteiligung« am Springer-Konzern, ist mit 48,5 Prozent größter Aktionär und bestimmt die Strategie. Die besteht kurz gefasst darin, das Geschäft mit klassischen Medien (Bild, Welt) auslaufen zu lassen, womöglich auch zu verkaufen, und sich zum globalen digitalen Inhalteanbieter aufzuschwingen – mit dem Hauptsitz in den USA. Der Weg dorthin wurde durch die Übernahme des US-Nachrichtenportals Politico 2021 geöffnet, die 881 Millionen Euro Kaufpreis hätte Springer ohne KKR nicht aufbringen können. Springer-Chef Mathias Döpfner ist dafür der richtige Mann, wäre gerne globaler Akteur.

Allerdings bleibt KKR ein Finanzinvestor mit einem Anlagehorizont von fünf bis sieben Jahren. Diese Frist läuft ab, und in New York will man jetzt Geld sehen. Sehr viel mehr als eingezahlt, versteht sich, weshalb derzeit Verhandlungen über eine Aufspaltung der Axel Springer SE laufen. Die Immobilien- und Jobportale sollen verkauft und vom Erlös der Investor abgefunden werden. Der Springer-Restkonzern wäre auf Gedeih und Verderb dem internationalen Kapitalmarkt ausgeliefert. In Deutschland würde der aktuell zweitgrößte private Medienkonzern in die zweite Liga absteigen.

Fast zeitgleich mit dem Deal bei Springer hat KKR ein anderes Geschäft eingefädelt, diesmal in der Film- und Fernsehproduktion. Für nicht genannte Summen wurden die Tele München Gruppe inklusive Tochterunternehmen, der Kinoverleiher Universum Film und die Fernsehproduzenten I&U TV sowie W&B Film gekauft. Daraus schuf KKR das Unternehmen Leonine. Schon 2021 stand es mit 378 Millionen Euro Umsatz an der Spitze der deutschen Produktionskonzerne. Seither hat es sich eine Reihe weiterer Firmen einverleibt.

Doch KKR besitzt auch die französische Produktionsfirma Mediawan, die Leonine im Juni 2024 übernommen hat. Die fusionierte Gruppe ist in 13 Ländern mit 85 Produktionsfirmen aktiv und kommt auf einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Sie wird zur Spitzengruppe in Europa gehören und den deutschen Markt führen. Beide Deals waren nur mit einem Investor mit fast unbegrenzten Finanzmitteln möglich. Das Ziel ist Weiterverkauf mit Profit in obszönen Größenordnungen.

Das ist das Neue am Agieren von KKR auf den Medienmärkten: Unternehmen werden nicht mehr nur gekauft, ausgesaugt, herausgeputzt und profitabel abgestoßen. Diese Strategie läuft sich tot, denn die Verkaufserlöse sind nicht beliebig steigerbar. Aber die Investoren sind ihren Geldgebern horrende Renditen schuldig. Sie sind mächtig genug, um sich ganze Medienbranchen zurechtzuschneiden und in ihrem Interesse neu zu strukturieren. So lässt sich die Schraube weiterdrehen. Nichts interessiert dabei weniger als gewachsene Strukturen, publizistische Ansprüche oder die Interessen von Belegschaften und Publikum. Die Medienproduktion ist dadurch direkt den Mechanismen der globalen Kapitalverwertung unterworfen.

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