Gegenddarstellung: Berliner VVN-BdA
Von Verlag und RedaktionAm 9. September 1945 gedachten Zehntausende in Berlin der »toten Helden des antifaschistischen Kampfes«. Aus dem alljährlich am zweiten Sonntag im September in der SBZ und der DDR begangenen Gedenktag für die Opfer des Faschismus wurde 1990 der »Tag der Erinnerung und Mahnung«. Die Schirmherrschaft in Berlin liegt bei der dortigen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die für diesen Sonntag wieder »befreundete Initiativen und alle Antifaschist*innen« einlädt, »das Gedenken an die Opfer des Naziregimes mit der Auseinandersetzung um die zunehmend antidemokratischen und autoritären gesellschaftlichen Entwicklungen zu verbinden«.
Wie jedes Jahr hatte junge Welt einen Stand angemeldet. Doch am Mittwoch erklärte eine Mitarbeiterin der Berliner VVN-BdA telefonisch, aus Platzgründen könne jW nicht einmal einen Stehtisch auf dem Gelände am Franz-Mehring-Platz 1 aufstellen. Auf Nachfrage verwies die Mitarbeiterin auf Differenzen zur Berichterstattung der jW zum Ukraine-Krieg (»Putin-Freunde«) und Nahost (»Israel-Hass«). Am Freitag antwortete die VVN-Geschäftsstelle auf eine jW-Anfrage: »Die junge Welt wurde nicht ausgeladen; ihr habt euch eingeladen, und wir hatten dafür in diesem Jahr keinen Platz.« Allerdings sei das ND vertreten.
Die junge Welt ist seit ihrer Gründung 1947 am Gedenktag beteiligt. Dass sie nun von der mitgliederstärksten antifaschistischen Vereinigung für unerwünscht erklärt wird, ist ein Ausdruck zunehmend antidemokratischer und autoritärer Entwicklungen.
Ab 1948 scheiterte ein überparteiliches Gedenken an die Opfer des Faschismus in den Westzonen und der BRD an der Weigerung von SPD und anderen Parteien, mit der »kommunistischen« VVN zu kooperieren. Nun reiht sich die VVN-BdA in diese antikommunistische Phalanx ein.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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Frechheit soll siegen
vom 07.09.2024
stattfindenden Jour fixe mitorganisiert und selber ein Dutzend meiner antifaschistischen Abende dort gespielt, natürlich ohne Gage. Mindestens ebenso oft habe ich in der Galerie, nun Maigalerie, meiner Zeitung junge Welt gespielt. Jetzt erfahre ich, dass diese Zeitung, die von Anbeginn einen Stand beim »Tag der Erinnerung und Mahnung« hatte, in diesem Jahr nicht einmal einen Stehtisch auf dem Franz-Mehring-Platz aufstellen darf, angeblich aus »Platzgründen«, in Wirklichkeit aber aus deutlich anderen Sichtweisen auf die Kriege in der Ukraine und in Israel. »Israel-Hass« soll die junge Welt verbreitet haben, was das israelische Volk einschließen würde. Ich habe in meiner Zeitung etwas anderes gelesen, nämlich Kritik an Netanjahus völkermörderischer Politik gegenüber Palästina und bin froh darüber, dass wenigstens hier, genau recherchiert und menschlich beschrieben, die Rechte eines seit Ende des Faschismus geknechteten Volkes verteidigt werden.
Der Jude Erich Fried hat das einmal so gesagt:
Als wir verfolgt wurden
war ich einer von euch
Wie kann ich das bleiben,
wenn ihr Verfolger werdet?
der in der DDR seit 1945 begangene Gedenktag für die Opfer des Faschismus am 09. September war mir schon aus meiner Zeit als Westberliner ein besonderes Ereignis. Er lebt weiter, auch wenn er seit 1990 das Wort »Faschismus« vermeidet. Gut ist, das die VVN-BdA, in der ich Mitglied bin, diesen Gedenktag auftragsgemäß hochhält. Katastrophal finde ich, dass die VVN-BdA Berlin jetzt auch an diesem so wichtigen Ereignis seine seit längerem begonnene Ausschließeritis und Relativierung dessen, was gute und was böse Antifaschisten sind fortsetzt. Oder wie soll ich das verstehen, wenn die Berliner VVN-BdA allen Ernstes jetzt auch noch eine dezidiert antikapitalistische und antifaschistische Zeitung (junge Welt) von der Teilnahme am 09. September 2024 das erste Mal ausschließt, weil diese wohl auch der Meinung ist, dass man Frieden nicht mit Krieg gewinnen kann – weder in der Ukraine noch in Palästina. Nach der »feindlichen Übernahme« der Partei Die Linke jetzt auch noch das Gleiche mit der VVN-BdA. Lassen wir das bitte nicht zu!
Mit großer Verwunderung und Empörung erfahre ich gerade von Eurer Absage an die Adresse der jungen Welt. Ihr lehnt eine Teilnahme dieser jahrzehntelang in der antifaschistischen Bewegung verankerten Zeitung am Tag der Mahnung ab. Unfassbar! So wird die Breite der VVN total verengt. Wie Ernst nehmt Ihr es eigentlich mit dem Schwur von Buchenwald, für den insbesondere diese Zeitung jW exemplarisch steht! »Nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg!« Die Gleichgewichtigkeit dieser beiden Forderungen vermisse ich immer mehr in der VVN von Seiten unseres Vorstandes.
Wann wird als nächstes das historische Erbe des kommunistischen Widerstands in der VVN als »stalinistisch« entsorgt? Und wann werden gar Mitglieder der DKP aus der VVN ausgeschlossen? Es wird Zeit, als Antifaschist, sich in der VVN wieder mehr einzumischen. Wir sehen uns.