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Aus: Ausgabe vom 07.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Niederlande

Größte Mieterhöhungen seit 31 Jahren

Niederlande: Abgaben für Sozialwohnungen steigen besonders stark. Indexmieten auf dem Prüfstand
Von Gerrit Hoekman
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Die Preise für Sozialwohnungen wurden in den Niederlanden überdurchschnittlich angehoben

Wohnen wird auch in den Niederlanden immer mehr zum Luxus. Im Juli 2024 waren die Mieten im Durchschnitt 5,4 Prozent höher als im selben Monat des Vorjahrs – der stärkste Anstieg seit 31 Jahren, teilte das staatliche Zentralbüro für Statistik (CBS) am Mittwoch mit. Dabei stiegen die Mieten im sozialen Sektor um 5,6 Prozent. Die Mieten auf dem freien Markt hingegen »nur« um fünf Prozent. Der »Woonbond«, der Mieterinnen und Mieter vertritt, befürchtet, dass die Mieten für Sozialwohnungen im nächsten Jahr sogar noch stärker steigen könnten.

Die geringere Erhöhung im privaten Sektor liegt laut »Woonbond« an einem Beschluss des Parlaments. Demnach ergibt sich der maximal erlaubte Mietanstieg für Privatwohnungen aus der Inflationsrate plus ein Prozent oder aus der durchschnittlichen Lohnsteigerung plus ein Prozent. Maßgebend ist der jeweils niedrigere Wert. Im Sozialmietbereich gelte jedoch nur die durchschnittliche Lohnerhöhung, die aktuell über der Inflationsrate liege. Für nächstes Jahr könnte die Differenz nach Prognose von Wirtschaftsexperten sogar noch größer ausfallen. Das heißt: Der »Arbeitgeber« kann die Lohnerhöhung im Grunde direkt an den Vermieter überweisen.

»Viele Mieter sind längst verzweifelt, Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs können nicht mehr bezahlt werden«, warnte Zeno Winkels, der Vorsitzende des »Woonbond«, am Mittwoch auf der Homepage der Organisation. Er fordert von der Regierung, bei den Sozialmieten die gleichen Berechnungsregeln für Erhöhungen anzuwenden wie bei den Privatmieten.

Die sozialen Wohnungsbaugesellschaften sind hingegen zufrieden. Nur so könnten sie ihre Häuser instand halten und auf das Erreichen der Klimaschutzziele hinarbeiten. Außerdem sollen die Mehreinnahmen in den Bau neuer Sozialwohnungen gesteckt werden. »Weniger oder keine Mieterhöhungen klingen gut für aktuelle Mieter, bedeuten aber auch weniger Nachhaltigkeit und weniger neue Wohnungen für Menschen auf Wartelisten«, sagte Martin van Rijn, der Vorsitzende von Aedes, dem Verband der sozialen Wohnungsbaugesellschaften, bereits im Juni in der niederländischen Tageszeitung De Volkskrant.

Fast 70 Prozent der Wohnungen in den Niederlanden sind laut CBS im Besitz von Wohnungsbaugesellschaften. Was eine Sozialwohnung ist, wird über die Kaltmiete bestimmt, die am Beginn des Mietvertrags verlangt wurde. Bis 879,66 Euro pro Monat handelt es sich um eine Sozialwohnung, so das CBS. Seit 2022 fließt auch das Einkommen der Mieter einer Sozialwohnung in die Berechnung der erlaubten Mietsteigerung mit ein. 2023 hatte sich herausgestellt, dass nach diesem Maßstab die Miete vieler Wohnungen zu hoch war und gesenkt werden musste. Rund 600.000 Haushalte bekamen eine Mietminderung von durchschnittlich 58 Euro im Monat. Deshalb betrug die durchschnittliche Mieterhöhung bei Sozialwohnungen im Juli 2023 nur 0,1 Prozent.

Am 1. Juli 2024 trat außerdem das »Bezahlbare-Mieten-Gesetz« für private Wohnungen im mittleren Segment in Kraft. »Die genauen Auswirkungen sind noch unklar, aber das Gesetz könnte zu einer Mietminderung für 300.000 Mietobjekte im privaten Bereich um durchschnittlich 190 Euro pro Monat führen«, vermutete De Volkskrant am Mittwoch. »Privatanleger sehen daher sinkende Renditen ihrer Mietobjekte.« Die Folge: Im zweiten Quartal 2024 wurden mehr als 10.000 Mietobjekte verkauft – fast so viele wie im gesamten Jahr zuvor. Der Hoge Raad der Nederlanden, der höchste niederländische Gerichtshof, urteilt demnächst darüber, ob überhaupt die Mieterhöhung entsprechend der Inflationsrate angepasst werden darf. »Die damit für den Mieter verbundene Unsicherheit könnte dem europäischen Verbraucherrecht widersprechen«, so De Volkskrant. Erklärt der Gerichtshof solche Klauseln für ungesetzlich, »müssen Vermieter möglicherweise Milliarden Euro an ihre Mieter zurückzahlen«.

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