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Aus: Ausgabe vom 09.09.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Madrid Forum

»Die Linke als Feind ist gemeinsamer Nenner«

Über die Rolle des Forum Madrid in der ultrarechten Bewegung Spaniens und Lateinamerikas. Gespräch mit Miquel Ramos
Von Frederic Schnatterer, Buenos Aires
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Vox-Anhänger mit gigantischer Spanienflagge (Madrid, 19.5.2024)

Welche Rolle spielt das Forum Madrid heute innerhalb der internationalen ultrarechten Bewegung?

Es wurde von der Disenso-Stiftung ins Leben gerufen, die zu Vox gehört. Über die Stiftung kanalisiert die spanische Partei einen großen Teil ihrer öffentlichen Gelder. Außerdem bietet das Forum Raum für Treffen ultrarechter Gruppierungen, Politiker und Persönlichkeiten, die Teil dieser neuen, extrem rechten Welle in der spanischen und hispanoamerikanischen Welt sind. Die Zusammenkünfte dienen dazu, eine Einheit herzustellen und eine gemeinsame Strategie zu inszenieren, mit der gegen die erklärten Feinde vorgegangen werden kann: Sozialismus, Kommunismus, Feminismus, Migration usw. Auch wenn die Migrationsfeindlichkeit in Spanien eine deutlich größeres Gewicht hat als in den lateinamerikanischen Ländern. Diese Punkte werden mit dem Aspekt der vermeintlich gemeinsamen Kultur vermengt – das, was sie Iberosphäre nennen.

Innerhalb des Forums gibt es Akteure mit unterschiedlicher Programmatik. Welches sind die einenden Themen?

Ein gemeinsamer Nenner ist, wie gesagt, die Markierung der Linken als Feind, egal ob sie nun sozialdemokratisch oder revolutionär ist. Hinzu kommt das, was sie Identitätspolitik nennen, also die Politik der Gleichstellung von Frauen oder LGTBQ-Personen. Der internationalen Ultrarechten ist es außerdem gelungen, den sogenannten Libertarismus mit extrem konservativen Positionen zu verbinden. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als passte das nicht zusammen, zeigt die Wirklichkeit das Gegenteil. Sie führen einen wirtschaftlichen und kulturellen Krieg gegen Rechte und Freiheiten.

Wie hat es Vox geschafft, innerhalb der ultrarechten Bewegung in Hispanoamerika ein zentraler Akteur zu werden?

Vox als spanische und europäische Partei führt in imperialistischer, kolonialistischer Manier wie das Mutterland die ehemaligen Kolonien an. Ich glaube, Vox sieht das so, und auch ein großer Teil der lateinamerikanischen extremen Rechten versteht es so. Vox agiert also wie ein Pate. Und die Partei verfügt auch über die nötigen Ressourcen. Außerdem war sie die erste, die sich zusätzlich zu den bereits bestehenden Beziehungen um Kontakt zur europäischen und nordamerikanischen Rechten bemüht hat. Damit hat sie auch eine Art Brückenfunktion.

Welche Rolle spielt der argentinische Präsident Javier Milei in dieser Bewegung?

Milei nimmt eine sehr spezielle Rolle ein, auch wegen seines Charakters und seiner exzentrischen Art. Er gibt der ultrarechten Bewegung eine Art ästhetisches Element – mit seiner zur Schau gestellten Respektlosigkeit und seiner Rolle als Fernsehpersönlichkeit. Er macht Lärm. Er weiß, wie er die Leute erreichen kann. In einer Gesellschaft des Spektakels macht allein das ihn zu einer relevanten Figur. Für die ultrarechte Bewegung ist er daher sehr nützlich.

Ist die internationale Führungsrolle Mileis nur vorübergehend? Mit anderen Worten, wird er mit einem möglichen Sieg Trumps in den USA an Bedeutung verlieren?

Es wird sich zeigen, was von Milei übrigbleiben wird. Ich denke nicht, dass wir ihn so schnell loswerden. Auch nicht, dass Trump ihn so schnell in den Schatten stellen wird, sondern vielmehr, dass er als Stütze fungieren wird. Gut möglich, dass es zu Meinungsverschiedenheiten oder sogar einem Wettbewerb um Aufmerksamkeit kommt. Ich gehe aber davon aus, dass sich die beiden gegenseitig ergänzen werden. Wir befinden uns derzeit in einer Weltlage, in der Bewegungen und Persönlichkeiten wie diese überall an Bedeutung gewinnen. Viel wird außerdem davon abhängen, wie die argentinische Gesellschaft mit ihrem Präsidenten umgeht; welche Folgen seine Politik für den Alltag vor allem der Arbeiterklasse hat.

Miquel Ramos ist Journalist und Autor. Er arbeitet zur radikalen Rechten und Antifaschismus in Spanien und darüber hinaus.

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