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Aus: Ausgabe vom 09.09.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Krieg und immer weiter Krieg

Tel Aviv will regionalen Krieg ausweiten. Washington rudert bei unbegrenzter Unterstützung zurück
Von Wiebke Diehl
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Die bisher angerichteten Zerstörungen reichen der israelischen Regierung anscheinend nicht (Chijam, Südlibanon, 8.9.2024)

Es ist ein erneutes Zeichen, dass sich der regionale Krieg jederzeit gefährlich ausweiten könnte: Am Sonntag morgen hat ein jordanischer Lkw-Fahrer an der Allenby-Brücke, dem Grenzübergang zwischen Jordanien und dem Westjordanland, drei Israelis vom »Sicherheitspersonal« erschossen, wie Haaretz schreibt. Auch der Angreifer wurde getötet. Israelische Einsatzkräfte attackierten außerdem jordanische Arbeiter und Lkw-Fahrer, die sich am Grenzübergang aufhielten. Seit Wochen verschärfen sich die israelischen Angriffe auch im Westjordanland. Vergangene Woche beendete die Armee einen zehntägigen Einsatz in mehreren Städten, bei dem 36 Palästinenser getötet und Straßen sowie weitere Infrastruktur in Dschenin, Tulkarem und Tubas zerstört worden sind. Laut der israelischen Zeitung Israel Hayom stuft das Militär das Westjordanland derzeit als »zweitkritischste Front unmittelbar nach Gaza« ein.

Aber auch an der Nordgrenze gehen die Kämpfe in unverminderter Intensität weiter. Mindestens drei Mitarbeiter des libanesischen Zivilschutzes sind am Freitag bei einem israelischen Angriff im Süden des Landes ums Leben gekommen, zwei weitere wurden verletzt, einer davon schwer. Getroffen worden war ein Fahrzeug der Feuerwehr, als dessen Insassen durch vorhergehende israelische Angriffe ausgelöste Brände löschten. Gemäß einer Erklärung des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden die Rettungskräfte absichtlich ins Visier genommen. Die Behörde sprach von einem »eklatanten israelischen Angriff, der ein Team eines offiziellen Organs des libanesischen Staates zum Ziel« gehabt habe.

564 Libanesen sind nach Angaben des Ministeriums bis zum 22. August getötet worden, 1.848 wurden verletzt. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat ermittelt, dass 110.099 Libanesen aus der Grenzregion im Süden des Landes vertrieben worden sind. Einer Analyse des Armed Conflict Location and Event Data Project zufolge führte die israelische Armee zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 21. Juni 2024 6.142 Angriffe auf libanesischem Boden aus. Dabei wird immer wieder weißer Phosphor eingesetzt, der große Teile des fünf Kilometer breiten Grenzgebiets unbewohnbar gemacht hat. Am Freitag erklärte das israelische Militär, seine Yiftah-Brigade habe im Rahmen einer Übung eine Bodeninvasion im Nachbarland simuliert. Nur einen Tag zuvor hatte Finanzminister Bezalel Smotrich erneut zu einer Eskalation gegenüber dem Libanon aufgerufen. »Es wird einen Krieg geben, da gibt es keine Wahl«, sagte er der Zeitung Maariv. Der Krieg dürfe erst enden, wenn Hamas und Hisbollah »weg« seien.

Die Lage im Nahen Osten droht seit den gezielten Tötungen des hochrangigen Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr in Beirut und des Hamas-Chefs Ismail Hanija in Teheran zu explodieren. Tel Aviv spekuliert darauf, durch solche Eskalationsschritte die USA zu einem direkten Eintritt in den Krieg zu bewegen. Denn die militärischen Misserfolge an allen Fronten werden immer offensichtlicher. Allerdings hat Washington in der vergangenen Woche gewarnt, die US-Marinestreitkräfte könnten nicht unbegrenzt in der Region bleiben, wie der israelische Fernsehsender Channel 13 berichtete. Einen Tag nach dem Vergeltungsangriff der Hisbollah für die Tötung Schukrs vom 25. August hatte das US-Verteidigungsministerium noch erklärt, die beiden US-Flugzeugträger »Theodore Roosevelt« und »Abraham Lincoln« würden weiter in der Region verbleiben, um Israel zu unterstützen.

Eine iranische Antwort auf die Tötung Hanijas steht noch aus, genau wie ein Vergeltungsschlag der jemenitischen Ansarollah (»Huthis«) für die israelische Bombardierung des Hafens von Hodeida am Abend des 20. Juli, bei der mindestens sechs Zivilisten getötet und mehr als 80 weitere verletzt worden waren. Human Rights Watch hat am 19. August befunden, der »offensichtlich rechtswidrige, wahllose und unverhältnismäßige Angriff auf Zivilisten« könne als Kriegsverbrechen angesehen werden und »langfristige Auswirkungen auf Millionen Jemeniten (haben), die auf den Hafen für Nahrungsmittel und humanitäre Hilfe angewiesen sind«.

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