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Aus: Ausgabe vom 09.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Gesundheitssystem Portugal

Streiks stehen bevor

Portugal: Pflegekräfte und Ärzte kämpfen gegen Überstunden und für bessere Arbeitsbedingungen. Ministerium planlos
Von Fabian Linder
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Schon in den letzten Jahren demonstrierten Pflegekräfte und Mediziner immer wieder (Lissabon, 17.10.2023)

In Portugal rufen mehrere Gewerkschaften für Ende September zu einem zweitägigen Streik in Gesundheitseinrichtungen auf. Die Nationale Vereinigung der Mediziner (FNAM) sowie die Gewerkschaft der Krankenpfleger (SEP) kündigten darüber hinaus an beiden Tagen Demonstrationen vor dem Gesundheitsministerium in Lissabon an.

Als Hauptgrund für die erwarteten Streiks nennt die FNAM, das »Chaos«, das die zuständige Ministerin Ana Paula Martins (Partido Social Democrata, PSD) im Nationalen Gesundheitsservice (SNS) des Landes angerichtet habe. Es gebe keinerlei Lösungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich, äußerte sich die Ärztevereinigung. Der Streikankündigung voraus ging unter anderem die Absage eines seit Juli geplanten Treffens zwischen der FNAM und der Gesundheitsministerin. Die Ärztevertreter warfen Martins aufgrund der kurzfristigen Absage »völlige Respektlosigkeit gegenüber den Verhandlungen« vor, die zum Ziel hatten, Lösungen für die Unzufriedenheit in der Branche zu finden.

Die Kritik der FNAM entzündet sich an der Erbringung von Überstunden, die über ein gesetzliches Jahreslimit hinausgingen, sowie an den Unklarheiten eines unter Martins jüngst verabschiedeten Gesetzes, das Vergütungszuschläge regeln und das Funktionieren der Notdienste gewährleisten soll. Demnach gäbe es wegen Lücken in dem Gesetz Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Überstunden.

Gleichermaßen kämpferisch zeigt sich die Gewerkschaft der Krankenpfleger. Neben Gehaltserhöhungen geht es auch dort um die grassierenden Personalengpässe sowie eine ganze Reihe sozialpolitischer Forderungen in der Branche, etwa bei der Altersvorsorge. Man habe dem Gesundheitsministerium im Hinblick auf für den 12. September anberaumte Verhandlungen bereits klargemacht, dass man keine »kosmetischen Korrekturen« bei den Gehältern akzeptieren werde. Es liege nun in der Hand der Regierung, den Streik und die geplanten Demonstrationen durch ein Entgegenkommen zu verhindern. Schließlich seien die Forderungen der Krankenpflegegewerkschaft »gerecht« und »entscheidend für die Stärkung des Nationalen Gesundheitssystems«.

Die angekündigten Streiks reihen sich ein in schon länger anhaltende Auseinandersetzungen um die öffentliche Gesundheitsversorgung. Die FNAM bestätigte vergangene Woche etwa die Streiks wegen Überstunden in den Gesundheitszentren bis Ende des Jahres zu verlängern.

Kritik an den Zuständen im portugiesischen Gesundheitswesen kommt unter anderem von der Kommunistischen Partei Portugals (PCP). Generalsekretär Paulo Raimundo äußerte sich Ende August gegenüber portugiesischen Medien kritisch über die Situation in pädiatrischen Einrichtungen und Geburtshilfen. Schuld daran sei nicht nur die jetzige rechtskonservative Regierung unter Premierminister Luís Montenegro (PSD), sondern auch dessen Vorgängerregierung. Kritik üben die Kommunisten unter anderem am Ausspielen von öffentlicher Gesundheitsversorgung und der in privaten Einrichtungen gegeneinander. So erklärte Raimundo Ende August in Grândola, es sei notwendig, die Gesundheitsberufe stärker wertzuschätzen, damit Ärzte, Krankenpfleger und anderes Personal dem öffentlichen Gesundheitswesen erhalten blieben. Die jetzige Minderheitsregierung unter Montenegro setze hingegen weiter darauf, noch mehr Geld und öffentliche Ressourcen an jene zu überweisen, die aus Krankheit ein Geschäft machten. Raimundo zog angesichts der gegenwärtigen Kämpfe im Gesundheitswesen darüber hinaus eine Verbindung zur Nelkenrevolution 1974, in deren Folge mit der Gründung des SNS 1979 der kostenlose Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen ermöglicht wurde. Dies sei eine der größten Errungenschaften gewesen, die es zu verteidigen gelte.

Bis heute zeichnet sich dieses noch durch den Zugang zu einer ganzen Reihe an Basisleistungen aus, steht allerdings vor allem aufgrund der Politik der vergangenen Jahre, etwa in der Coronapandemie sowie der Euro-Krise und der darauf folgenden Austeritätspolitik unter Druck. Bereits bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im März dieses Jahres nahmen die Probleme im Gesundheitswesen einen hohen Stellenwert ein.

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