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Aus: Ausgabe vom 10.09.2024, Seite 2 / Ausland
Türkei

Allianz von Staat und Sekten

Türkei: Proteste nach Mord an Mädchen. Islamisten unter Verdacht
Von Nick Brauns
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Auch in Istanbul-Kadıköy wurde am Sonntag Gerechtigkeit für die bei Diyarbakır ermordete Narin gefordert

Unter landesweiter Anteilnahme ist am Montag die am Vortag tot aufgefundene achtjährige Narin Güran im Dorf Tavşantepe bei Diyarbakır beerdigt worden. Die Entführung des Mädchens im kurdischen Südosten ist zum Politikum in der Türkei geworden. So beschuldigen linke Parteien und feministische Organisationen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, eine Allianz mit religiösen Sekten und kriminellen Banden eingegangen zu sein und so eine Mitverantwortung für Narins Tod zu tragen.

Narin war am 21. August nach dem Besuch eines Korankurses der Menzil-Sekte in Tavşantepe verschwunden. Nach wochenlanger Suche durch Militärpolizei und Katastrophenschutz wurde am Sonntag ihre in einen nahen Bach geworfene Leiche entdeckt. 24 Tatverdächtige, darunter Narins Eltern, Brüder und Onkel, wurden festgenommen. Einer von ihnen hat gestanden, den Sack mit der Leiche auf Weisung des bereits zuvor inhaftierten Dorfvorstehers und Onkels Narins beseitigt zu haben.

Da das Dorf unter permanenter Video­überwachung eines Militärpostens steht, gehen Einheimische davon aus, dass Filmmaterial von der Entführung existiert, aber nicht veröffentlicht wird. »Der Staat scheint bestimmte lokale Akteure zu schützen, darunter auch solche, die mit religiösen Sekten verbunden sind«, vermutet Eren Keskin, Kovorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD. So gilt Tavşantepe als Hochburg der konservativen Menzil-Sekte, eine Mehrheit im Ort votierte für die islamistische Hüda Par. Die Wurzeln dieser mit der regierenden AKP verbündeten Partei liegen bei der sunnitischen Untergrundorganisation Hisbollah (nicht zu verwechseln mit der schiitischen Partei im Libanon, jW) , die in den 1990er Jahren unter dem Schutz des Staates zahlreiche Oppositionelle in den kurdischen Landesteilen ermordete.

In Diyarbakir gingen am Sonntag abend Tausende Menschen auf die Straße, darunter Anhänger der linken Dem-Partei sowie Mitglieder von Frauenvereinigungen und Fans des Fußballvereins Amedspor. Auf ihrem von der Polizei attackierten Marsch skandierten die Demonstranten Parolen wie »Die Morde an unseren Kindern sind politisch« und »Mörder Hisbollah, Kollaborateur AKP«. Hüda-Par-Vorstand Vedat Turgut wies unterdessen jede Mitverantwortung seiner für Scharia und Kinderehen eintretenden Partei an Narins Tod zurück: »Das ist nicht unsere Kultur, sondern die Kultur Europas, Amerikas und Israels.«

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