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Aus: Ausgabe vom 10.09.2024, Seite 7 / Ausland
Israel

Für Frieden sind sie alle nicht

Israels Oppositionspolitiker überbieten Netanjahu mit Kriegsforderungen. Hisbollah und Iran im Visier
Von Knut Mellenthin
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Rauch über dem Süden Libanons nach einem israelischen Raketenangriff: Blick über die Grenze (8.9.2024)

Würden Neuwahlen, die Hunderttausende Israelis mit Kundgebungen und Demonstrationen fordern, das Land einem Kriegsende näherbringen? Eine realistische Antwort muss leider lauten: höchstwahrscheinlich nicht. Die politisch relevanten Oppositionspolitiker Israels übertreffen Premierminister Benjamin Netanjahu sogar noch mit Forderungen und Vorschlägen zur Ausweitung der Kampfhandlungen.

Jüngstes Beispiel: Benjamin Gantz, der Vorsitzende der Nationalen Einheit, hat sich am Sonntag bei einer Konferenz in den USA dafür ausgesprochen, dass Israel seinen militärischen Schwerpunkt auf die Grenze zum Libanon und die Hisbollah verschieben müsse. Im Gazastreifen hätten die israelischen Streitkräfte (IDF) den entscheidenden Punkt ihres Feldzuges schon überschritten und Handlungsfreiheit erreicht. Israel solle zwar weiter versuchen, die überlebenden Geiseln durch Verhandlungen freizubekommen, aber wenn das nicht in den nächsten Tagen oder wenigen Wochen erreichbar sei, sollte es an der Nordgrenze zum Angriff übergehen. Es müsse sichergestellt werden, dass mehrere zehntausend Menschen, die wegen des Raketenbeschusses durch die Hisbollah evakuiert wurden, bald wieder in ihre Wohnungen in Nordisrael zurückkehren können. Das sei militärisch erreichbar, auch wenn der Libanon dabei Schaden nehmen würde. Gantz fuhr fort: Die Hisbollah sei sicher »eine operative Bedrohung«, aber »wir müssen uns auf die Wurzel des Problems, Iran, konzentrieren«. Nötig sei ständiger Druck auf die Islamische Republik, nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich und diplomatisch.

Der 65jährige hat eine lange militärische Laufbahn hinter sich. Zuletzt war er in den Jahren 2011 bis 2015 Chef des Generalstabs, bevor er im Dezember 2018 eine Partei gründete, um »in die Politik zu gehen«. Die von ihm geführte Nationale Einheit, eigentlich nur eine Wahlallianz mit der Partei Tikwa Chadascha (Neue Hoffnung) von Gideon Sa’ar, liegt in fast allen Umfragen der vergangenen anderthalb Jahre vor Netanjahus Likud. Parlamentarischer Oppositionsführer ist aber Jair Lapid, dessen Partei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) seit der Wahl vom 1. November 2022 doppelt so viele Knessetabgeordnete stellt wie die Nationale Einheit.

Auch Sa’ar, der seine Partei im März aus der Wahlallianz mit Gantz gelöst hat, gibt sich kriegerischer als der Premierminister. Die IDF müssten sofort eine militärische Kampagne zur Vertreibung der Hisbollah aus dem Südlibanon starten, forderte Sa’ar in einem ausführlichen Gespräch mit der Jerusalem Post, über das die weit rechts stehende englischsprachige Tageszeitung am 31. August berichtete. Irgendwann während des im Oktober 2023 begonnenen Krieges müsse Israel die »Hisbollah zerstören«, also sei es besser, diesen Schritt nicht hinauszuzögern. Es wäre besser gewesen, die Hisbollah schon vor mehr als einem Jahrzehnt militärisch anzugehen, als die schiitische Kampforganisation stark mit der Unterstützung der syrischen Regierung gegen islamisch-fundamentalistische Rebellen beschäftigt war. Israel solle nicht davor zurückschrecken, Iran direkt anzugreifen, wobei Sa’ar als Ziele neben dessen Atomprogramm auch die Erdölindustrie erwähnte. Das weitaus größere militärische Risiko für Israel sei aber die Hisbollah.

Unter den aggressivsten israelischen Oppositionspolitikern ist auch Naftali Bennett zu nennen, der eigentlich schon Ende Juni 2022 seinen Rückzug aus der Politik bekanntgegeben hatte, nachdem er als Premierminister der breitesten Regierungskoalition, die es jemals in Israel gegeben hatte, gescheitert war. Seit einigen Monaten hat sich Bennett zurückgemeldet mit der These, dass sich Israel bereits im Krieg mit dem »totalen Bösen« – gemeint ist Iran – befinde und verstärkt »zurückschlagen« sollte. Ziel müsse »die Zerstörung des Regimes« sein. Aus den Umfragen geht hervor, dass Bennett bei Neuwahlen auf dem ersten Platz landen würde, falls er eine Partei gründet. Irgendeine regierungsfähige Mehrheit wäre allerdings nicht in Sicht.

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