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Aus: Ausgabe vom 11.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Laienanalytiker des Tages: Matthias Koch

Von Felix Bartels
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Meilenweit vom Burnout entfernt: Matthias Koch (RND)

Selten folgt auf Unsinn anderes als anderer Unsinn. Seit 20 Jahren gilt Sahra Wagenknecht, angelangt auf der höchsten Politebene des Landes, den TV-Talkrunden, als Große Verneinerin, beharrlich widerlegt sie Falsches mit Falschem. Die Repräsentationspresse schäumt. In der Königsdisziplin »Falsches Bewusstsein« schenkt die Konkurrenz einander nichts. Kritik an Wagenknecht bedeutet in der Regel genau das: die falsche Antwort auf die falsche Antwort auf die falsche Lage.

So schritt am Sonntag Matthias Koch beim RND zur Tat. Unter einem Titel, den selbst die adressierte Resonanzorgel kleinbürgerlicher Zeloten so nicht hinbekommen hätte: »Putins zentrale Figur fürs Bundestagswahljahr 2025«. Den Aufschlag macht der Hinweis, dass das BSW nach seiner Gründerin heißt. Was anderen Gelegenheit gewesen wäre zu bemerken, dass darin gerade das Wesen des BSW zum Ausdruck komme, eine Person nämlich an die Stelle eines Programms und eine Stimmung an die Stelle eines Ziels zu setzen, etikettiert Koch salopp als »demokratiewidrig«. Die Begründung muss erwähnt sein, man käme nicht drauf: Wagenknecht möchte nicht mit Leuten in einer Partei sein, die politisch anders wollen. In diesem Stil gehts weiter, 3.200 Wörter, Themaseitenlänge.

Am Ende versucht Koch sich in Laienanalyse, Wagenknechts Burnout von 2019 wird direkt aus ihren Erfahrungen im DDR-Kindergarten abgeleitet. Offenbar ist auch er so lange aufs Töpfchen gesetzt worden, bis er Maazens »Gefühlsstau« ausgelesen hatte. Und da kongeniale Bebilderung über alles geht, ist die Passage mit dem Foto einer »Kinderbewahranstalt« des 19. Jahrhunderts versehen. Als »historisches Symbolbild«, wie die Redaktion ergänzt. Wir wissen schon, dass der damit evozierte Vergleich Unsinn ist, aber seine Wirkung nehmen wir gern mit. Hat da wer bei der Populistin gelernt?

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Reinhold H. aus Niederselters (11. September 2024 um 10:07 Uhr)
    Mathias Koch ist ein Lichtblick in investigativem Journalismus. Vor einigen Jahren schrieb er in der »Frankfurter Rundschau« einen Leitartikel zu den geplanten Feierlichkeiten in Moskau zum Sieg über den Faschismus. Diese Veranstaltung wurde von der russischen Regierung angeblich abgesagt, weil »Die Flugzeuge in einer Z-Formation über Moskau fliegen würden. Und diese Z-Formation könne als Unterstützung für Nawalniy interpretiert werden. Auf so einen Schwachsinn muss Mensch erstmal kommen. Koch ist oder war Chefredakteur des RND. Und dieses RND beliefert über 60 Redaktionen der BRD. Die «Frankfurter Rundschau» besteht in immer größeren Umfang aus RND-Artikeln. Deren Propaganda war einer meiner Gründe nach über 40 Jahren das Abo zu kündigen. Gut, dass es die «JW» und die «UZ» gibt, auch «Der Freitag» ist lesenswert. Reinhold Hinzmann
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Fjerritslev (10. September 2024 um 19:57 Uhr)
    Glückwunsch zum Artikel. Köstliche (Real-)Satire.

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