Jobtod am Zukunftsmarkt
Von David MaiwaldHier Massenentlassungen, dort ein Zukunftsmarkt. Als einer der zentralen Aussteller präsentiert sich der Zulieferkonzern ZF Friedrichshafen seit Dienstag auf der internationalen Zulieferermesse Automechanika in Frankfurt am Main. Die Messe richtet sich an den sogenannten Aftermarket, also das Geschäft mit Ersatzteilen, Dienstleistungen und Zubehör. Branchenvertreter sollten hier zusammenkommen, erklärte eine Sprecherin am Dienstag gegenüber jW. Die IG Metall (IGM) teilte gleichentags mit, am größten ZF-Standort in Schweinfurt hätten rund 3.500 Beschäftigte »ihrem Unmut Luft gemacht«. Mehr als 6.500 Beschäftigte hätten vor den Werkstoren von ZF gefordert, »dass der Vorstand seinen Kahlschlag zurücknimmt«, erklärte der bayrische IG-Metall-Bezirksleiter Horst Ott.
Neue Technologien »entlang der gesamten Wertschöpfungskette« sorgten »für jede Menge Anpassung und neue Prozesse bei allen Branchenakteuren«, skizzierte Messegeschäftsführer Detlef Braun die Lage der Automobilbranche am Montag im Unternehmersprech. Diese sei hierzulande aktuell nicht allzu vielversprechend, befand Frank Schlehuber vom Europäischen Autozuliefererverband im jW-Gespräch am Dienstag. Der Aftermarket bilde dagegen die »Sunny Side«, die Sonnenseite, ab. »Es handelt sich nicht um einen schrumpfenden Markt, sondern wir gehen für die kommenden elf Jahre von einem Wachstum aus.«
Es herrscht Anspannung, die sich etwa im angekündigten Kahlschlag bei Volkswagen zeigt. Das hat auch schwere Folgen für die Zulieferer. Der Konzern plane, zahlreiche neue Produkte für die E-Mobilität »überwiegend im kostengünstigeren Ausland anzusiedeln«, kritisierte die IGM am Dienstag. Dort sollten dann sogar »erheblich« höhere Beschäftigtenzahlen erzielt werden. Nicht so am Aftermarket: Neben anderen Branchengrößen wie Bosch oder Schaeffler sei auch ZF Friedrichshafen einer der »Hidden Champions«, der versteckten Gewinner, erklärte eine Automechanika-Sprecherin auf jW-Anfrage.
Dort sorgten in diesem Jahr besonders »Services und Reparatur von Elektrofahrzeugen« für eine »Expansion« bei der Automechanika, erklärte Messechef Braun. Ein wachsendes Durchschnittsalter bei Fahrzeugen sorge im Werkstattmarkt für Umsatzzuwächse. Der Handel mit Ersatzteilen sei im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 415 Milliarden Euro gewachsen, in den kommenden sechs Jahren gehe man von einem Gesamtvolumen von 631 Milliarden Euro aus. Ein ambitioniertes Wachstumsziel von rund 52 Prozent in sechs Jahren: »Sunny Side« eben. In der Ersatzteilproduktion steht derzeit die Volksrepublik China an der Spitze.
Insgesamt seien rund 900 chinesische Autozulieferer bei der Automechanika vertreten, berichtete Reuters am Dienstag. Mit brutto 22.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche seien diese aber deutlich weniger präsent als die deutschen Hersteller mit rund 55.500 Quadratmetern, teilte die Messe gleichentags auf jW-Anfrage mit. An dritter Stelle folge Italien mit rund 16.000 Quadratmetern. »Fast ein Dutzend chinesische Hersteller zeigen ihre E-Fahrzeuge«, teilte die Messe mit. Die großen Konzerne wie Geely, BYD, Lynk, Zeekr und weitere könnten in Frankfurt neue internationale Geschäftspartner für Reparatur, Wartung und Service kennenlernen, hieß es weiter.
Im vergangenen Jahr konnten chinesische Produzenten ihren Anteil am Absatz in Europa auf insgesamt 17 Prozent steigern, berichtete Reuters am Dienstag. In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres waren es demzufolge bereits zwölf Prozent. Nach Plänen der EU-Kommission erwarten die chinesischen Konzerne künftig aber deutlich erhöhte Zölle. So soll Branchenprimus BYD künftig 17 Prozent zusätzlich zahlen, der mit VW verbundene staatliche Autobauer SAIC 36,3 Prozent, Mercedes-Partner Geely 19,3 Prozent. »Auch wenn sich einige in Europa gegen uns wenden, werden wir uns niemals gegen den europäischen Markt wenden«, hatte Geely-Vizepräsident Victor Yang auf der Frankfurter Messe erklärt.
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