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Aus: Ausgabe vom 11.09.2024, Seite 11 / Feuilleton
AfD-Erfolge

Es ist amtlich!

Die Jungen sind dümmer als die Alten. Eine Wahlanalyse
Von Stefan Gärtner
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Wer Qual hat, hat die Wahl

Von hundert jungen Menschen, die nicht älter als 24 sind, haben 38 in Thüringen eine Partei gewählt, die Ausländer remigrieren will und Klimaschockwarnungen für Unsinn hält. Die jungen Menschen haben sich also für eine knallheiße, dafür gesichert arische Zukunft entschieden, und zwar hauptsächlich deshalb, weil die AfD auf Tik Tok sehr präsent ist und man als junger Mensch, »Medienkompetenz« hin oder her, immer gleich das macht, was Quatschköpfe im Internet empfehlen. Die neuen Nazis werden vom Nachwuchs, meldet Forschung, als »Kümmerpartei« wahrgenommen; dabei scheren sie sich, kann man wissen, wenn man sich nicht nur bei Insta informiert, viel weniger um die Armen als um die Reichen.

Womit es dann wohl amtlich ist: Die Jungen sind tatsächlich dümmer als die Alten.

Wer selber Kinder hat, den überrascht das nicht, denn das ständige Chaos, das der Kitsch aus Elternmagazinen für »fröhliche Kreativität« hält, ist schlicht die Unlust, leergefressene Joghurtbecher nicht neben dem Sofa zu lagern oder gebrauchte Unterwäsche nicht einfach da liegenzulassen, wo man sie ausgezogen hat. »Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt«, hieß es früher – dabei lassen diese Kinder grundsätzlich das Licht an, duschen stundenlang, öffnen die Fenster bei laufender Heizung und wollen an der Tanke immer das Eis haben, bei dessen Verzehr das meiste Plastik anfällt. Fragt man sie nach ihren Urlaubswünschen, möchten sie mit dem Flugzeug nach Hawaii, fragt man sie, was sie essen wollen, sagen sie: Schnitzel mit Fischstäbchen und Bratwurst, und die Klamotten, die man ihnen eh ständig nachkaufen muss, bleiben dann im Bus liegen, fuck, tut mir leid, Dad!

Immerhin, Kinder stecken sich keine Kippe mehr an, wenn sie aus der Schule kommen. Kinder sehen aufs Handy. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, das machen die Erwachsenen auch, und wenn es aber ganz besonders eklige Erwachsene sind, programmieren sie die Algorithmen so, dass Kinder nicht mehr vom Gerät wegkommen. Erwachsene wollen nämlich verkaufen, und Kinder wollen alles haben, weshalb die Süßigkeiten im Supermarkt an der Kasse liegen, im Quengelregal. Kinder müssen Affektkontrolle erst lernen, aber das Sozialmedialabteil des Internets ist eine einzige Affektzone, in die eine Krawall-, Arsch- und Gaunerpartei wie die AfD denn auch hineinpasst wie die Sau ins Schlammbad. Kinder haben oft überraschend einfache Erklärungen für komplizierte Sachverhalte, auch das macht sie gleich AfD-fähig, und wenn sie, im schokoverschmierten T-Shirt, gefragt werden, ob sie heimlich an den Süßigkeiten waren, sagen sie: Nein. Ich schwöre!

Genauso schwört die AfD auf Grundgesetz und Rechtsstaat.

Kinder, sagt mein Bruder immer, sind CDU, womit er meint, dass ihnen Gewohnheiten über alles gehen. Gleich anschließend sind sie AfD, jedenfalls in Thüringen und Sachsen, wo man noch mit Anfang 20 Politik für etwas zu halten scheint, was sich sehr gut in Tik-Tok-Videos zusammenfassen lässt. Jugend, das ist wahr, ist unverdorben und spontan, und wenn in der Schule einer stottert oder die falschen Turnschuhe hat, wird er halt ausgelacht oder aus der Chatgruppe gemobbt. Heranwachsende sind nämlich unbedingt konform und Herdentiere, sehr im Gegensatz zu Erwachsenen, die unbedingt individuell sind, und zwar am liebsten in Gemeinschaft, und für beide gilt also, dass es okay ist, AfD zu wählen, wenn es nur cool ist. Und was ist cooler, als das zu machen, was den Autoritäten voll gegen den Strich geht? Damit’s hernach, hahaha! – noch autoritärer wird?

Es ist, wie es ist, und es ist wunderbar, denn der Syllogismus (was immer das nun wieder für eine superkrasse Scheiße ist!) geht so: Die Jugend ist die Zukunft. Die Jugend wählt AfD. Kanada, ich komme.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Fjerritslev (11. September 2024 um 19:10 Uhr)
    Vorsicht beim Flug nach Kanada! »Es wird empfohlen, sich eine eTA zu besorgen, bevor man sich einen Flug nach Kanada bucht.« (eTA: elektronische Reisegenehmigung, https://www.canada.ca/en/immigration-refugees-citizenship/services/visit-canada/eta/facts-de.html).

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