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Aus: Ausgabe vom 11.09.2024, Seite 16 / Sport

Milei war nicht dabei

Von André Dahlmeyer
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Zakia Khudadadi (r.) aus Afghanistan gewinnt Gold im Taekwondo und schreibt Parasportgeschichte (Paris, 29.8.2024)

Einen wunderschönen guten Morgen! Am Sonntag gingen in Paris nach zwölf Tagen die 17. Paralympischen Sommerspiele zu Ende. Aus den Amerikas partizipierten 31 Länder, am besten schnitten auf dem fünften Rang mit 89 Medaillen die Brasilianer ab (25 Gold/26 Silber/38 Bronze), gefolgt von Kanada (zwölfter Rang, 29 Medaillen, 10/9/10), Kolumbien (19. Rang, 28 Medaillen, 7/7/14), Kuba (24. Rang, zehn Medaillen, 6/3/1), Mexiko (30. Rang, 17 Medaillen, 3/6/8), Venezuela (34. Rang, sechs Medaillen, 3/2/1) und Argentinien (37. Rang, 13 Medaillen, 2/3/8). Schlusslicht der amerikanischen Teilnehmer waren Trinidad und Tobago (75. Rang, einmal Silber).

Immerhin liegen die Inselkicker damit noch vor dem »Refugee Paralympic Team«, in das vom IPC (Internationales Paralympisches Komitee) acht Athleten aus fünf Ländern aufgenommen wurden, die in sechs Sportarten antraten. Die Afghanin Zakia Khudadadi (Asyl in Frankreich) schrieb Parasportgeschichte und gewann im Taekwondo (Gewichtsklasse K44 bis 47Kilogramm) die erste Medaille (Bronze) für ein paralympisches Flüchtlingsteam. Die knapp 26jährige, die der Ethnie der Hasara angehört und nur einen Arm hat, ist die erste afghanische Frau, die Taekwondo praktiziert (seit dem neunten Lebensjahr). Als 18jährige gewann sie 2016 in Ägypten bereits die African International Parataekwondo Championship, debütierte bei Olympia 2020 in Tokio (Tage nach ihrer erschütternden Flucht vor den Taliban), schied dort aber früh aus und hat nach eigenem Bekunden nur traurige Erinnerungen an diese Spiele. Etwas hat sich grundlegend geändert. »Seit drei Jahren bin ich eine professionelle Taekwondoka. Heute habe ich gewonnen, weil hinter mir die Französische Republik stand, das Refugee-Team und meine Trainerin Haby Niaré. Heute haben wir alle gewonnen.« Ihre französische Trainerin, auch erst 31 Jahre alt, schulterlange Dreads, war mit 16 schon Junioreneuropameisterin (in Trelleborg), mit 17 Juniorenvizeweltmeisterin (Tijuana), und im selben Jahr wurde Niaré erst französische Meisterin (einer von sechs Titeln) und dann in St. Petersburg mit 18 auch Europameisterin bei den »Senioren«. Bei den folgenden (zweijährig stattfindenden) Europameisterschaften fügte sie noch zweimal Silber, einmal Bronze hinzu. 2013 wurde sie Weltmeisterin (Puebla/Mexiko), 2016 in Rio gewann sie mit 23 Jahren Olympiasilber. Während Corona beendete sie Anfang 2021 mit 27 Jahren ihre aktive Karriere. Nichts ging mehr. 2016 wurde ihr der Ordre national du Mérite, der nationale Verdienstorden, verliehen, die vierthöchste Auszeichnung bei den Asterixen, eher Blechklasse. So eine Trainerin (sie kam mit 15 vom HipHop zum Taekwondo) möchte man haben! Zakia Khudadadi: »Ich bin die erste paralympische Flüchtlingsfrau, eine Afghanin, die eine Medaille geholt hat. Das fühlt sich für mich an wie Leben. Hoffentlich kommt bald der Frieden in Afghanistan, überall, für alle Mädchen, Frauen, Flüchtlinge auf der Welt, Freiheit und Gleichheit.«

Für die argentinische Delegation waren die sogenannten Paralímpicos ein voller Erfolg, der größte seit Arnheim 1980. Vier Medaillen mehr als beim letzten Mal. Nach zwei Goldmedaillen zum Auftakt (Weitsprung, Schwimmen) kamen zum Schluss noch drei Silberne dazu. Erst im Kugelstoßen und im 100-Meter-Lauf. Dann kickten die Murciélagos (Fledermäuschen), die Fútbol-5-Blindentruppe der Gauchos, die im Halbfinale Titelverteidiger Brasilien nach Penalties eliminiert hatten (Tormann Germán Müleck parierte zwei), gegen die gastgebenden Asterixe um Gold. Schon der Halbfinalsieg war für Argentinien ein bahnbrechender Erfolg: Brasilien war 20 Jahre lang bei Olympia ungeschlagen, gewann die vergangenen fünf Editionen. Zum ersten Mal stand Brasilien nicht im Finale! Die Chose endete vom Punkt, negativ. Immerhin Silber! Staatspräsident Javier Milei hat nicht gesehen, was die ganze Welt sah. Er spricht Behinderten alle Bürgerrechte ab, will den freien Organhandel einführen, viel Phantasie gehört nicht dazu, sich vorzustellen von wem. Auch der Triumph von Argentiniens Rollstuhltennisikone Gustavo Fernández wurde ihm nicht weitererzählt. Für mich der beste Sportler dieser Kategorie, den ich je gesehen habe! Eine Medaille bei Olympia war das einzige, das dem 30jährigen noch fehlte, nach fünf Grand-Slam-Triumphen (je zweimal Roland Garros und Australien, einmal Wimbledon) und drei Medaillen bei den Parapanamerikanischen Spielen.

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