80. Geburtstag im Gefängnis
Von Michael KochMillionen von Menschen weltweit hätten sich gefreut, wenn der an diesem Donnerstag seit über 48 Jahren inhaftierte indigene Aktivist Leonard Peltier seinen 80. Geburtstag in Freiheit und im Kreise seiner Familie hätte verbringen können. Das wäre ein Zeichen von Menschlichkeit, Würde, Respekt und Gerechtigkeit gewesen, gegenüber einem Mitstreiter des American Indian Movement (AIM), der Bewegung, die sich für die Rechte Indigener in den USA einsetzt. Doch statt dessen widerfährt ihm seit nahezu fünf Jahrzehnten anhaltende Ungerechtigkeit seitens Justiz und Politik. So muss der gesundheitlich schwer gezeichnete Peltier seinen Geburtstag zum 49ten Mal in Haft verbringen: ohne Besuch, im Dauereinschluss (Lockdown), isoliert unter menschenunwürdigen Haftbedingungen und vom FBI zum »Tod durch Inhaftierung« vorverurteilt.
Peltier wird von der US-Justiz vorgeworfen, zwei FBI-Agenten bei der Besetzung der Stadt Wounded Knee in der Reservation Pine Ridge in South Dakota erschossen zu haben – ohne schlüssige Beweise. Das Ganze spielte sich im Jahr 1975 ab, als es in der Pine Ridge Reservation zu einer Reihe von tödlichen Übergriffen einer von der Oglala-Lakota-Stammesregierung gegründeten und u. a. durch FBI und Polizei aufgerüsteten Todesschwadron (Guardians of Oglala Nation, GOONS) gekommen war. Opfer waren traditionelle sowie junge, sich politisch engagierende Lakota der Pine Ridge Reservation.
Dagegen riefen Häuptlinge und Stammesälteste der Oglala das AIM zur Hilfe und es kamen Aktivisten, darunter auch Peltier. Sie kamen, um Menschenleben zu schützen und nicht – wie es das FBI immer wieder behauptet – um zu töten. Am 26. Juni drangen die FBI-Agenten Jack Coler und Ronald Williams in das AIM-Camp ein, das zum Schutz älterer Reservationsbewohner eingerichtet worden war. Nach Jahren des GOON-Terrors, dem mindestens 59 Lakota zum Opfer gefallen waren, ließ das die Situation endgültig eskalieren. An einen Überfall glaubend, leisteten Camp- und Reservationsbewohner zur Selbstverteidigung bewaffneten Widerstand. Bei dem Schusswechsel starben der junge AIM-Aktivist Joe Stuntz und die beiden FBI-Agenten. Als Hauptverdächtige präsentierte die Behörde der Öffentlichkeit sofort die AIM-Aktivisten Dino Butler, Bob Robideau und Leonard Peltier. Butler und Robideau wurden noch 1975 festgenommen und später aufgrund des Verdachts, dass das FBI die Anklagebeweise manipuliert habe sowie aufgrund der anzunehmenden Notwehrsituation freigesprochen.
Als Peltier im darauffolgenden Februar in Kanada festgenommen und aufgrund von Falschaussagen einer angeblichen Zeugin an die USA ausgeliefert wurde, hatte er bei seinem Prozess keinerlei Chance auf ein ebenso faires und korrektes Verfahren. Das FBI setzte alles daran, seine Verurteilung zu erwirken. 1977 wurde Peltier zu zweimal lebenslänglich verurteilt. Und bis heute verhindern das FBI und andere Kräfte, dass ihm endlich Gerechtigkeit geschieht. Dabei haben sich längst frühere, an den zahlreichen Verfahren beteiligte Richter und Staatsanwälte für Peltiers Begnadigung eingesetzt. So hatte der lange Jahre aufsichtführende Staatsanwalt James Reynold bereits vor Jahren US-Präsident Joseph Biden gebeten, Peltier freizulassen. Es gebe keinerlei Beweise für dessen Mitschuld am Tod der FBI-Agenten.
Zum gleichen Schluss kam der frühere Berufungsrichter Gerald Heaney, der bereits vor über 20 Jahren den früheren US-Präsidenten William Clinton um Freilassung Peltiers und Aufhebung des Urteils gebeten hatte. Starke Unterstützung erhielten diese Bitten und Forderungen auch von der UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen, dem Nationalkongress der Demokratischen Partei der USA sowie durch den Auftritt mehrerer zivilrechtlicher Vertreter der USA bei den Konsultationen zum »Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte« in Genf 2023. Und dennoch gibt es auf den alles entscheidenden Ebenen immer noch nichts, was auf eine baldige Begnadigung Peltiers hinweisen könnte. Im Gegenteil: In jüngster Zeit sind zwei Anträge auf Haftentlassung auf Bewährung durch die US-Bewährungskommission sowie eine solche aus humanitären Gründen durch die Gefängnisbehörde abgelehnt worden. In beiden Fällen ist das auch dem Druck des FBI geschuldet.
Doch der Kampf um Peltiers Freiheit geht weiter. An seinem 80. Geburtstag werden in Europa mehr denn je ganz unterschiedliche Gruppen mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen mit der Forderung nach seiner sofortigen Freilassung und adäquater medizinischer Versorgung an die Öffentlichkeit treten. Im Rahmen der Kampagne »Europe for Peltier Coalition« finden Mahnwachen, Lesungen, Vorträge, Konzerte und andere Aktionen u. a. in Mailand, Venedig, Genua, Rom, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Leipzig, Stade und Brétigny-sur-Orge bei Paris statt.
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