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Aus: Ausgabe vom 12.09.2024, Seite 6 / Ausland
Streit um Judikative

Justizreform gebilligt

Mexiko: Zweidrittelmehrheit im Senat für Neuordnung im Rechtswesen – reaktionäre Opposition mit Störmanövern erfolglos
Von Volker Hermsdorf
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Belagerungsring von Reformgegnern am Dienstag auf Senatstribüne in Mexiko-Stadt

Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit hat auch der mexikanische Senat am Mittwoch morgen die bis zuletzt kritisierte Reform des Justizwesens verabschiedet. Das vom scheidenden Staatschef Andrés Manuel López Obrador Anfang des Jahres vorgestellte Projekt wurde mit 86 Stimmen seiner sozialdemokratischen Morena-Partei, der linken Arbeiterpartei, der Partei der Grünen Ökologen und eines Senators der christdemokratischen Partido Acción Nacional (PAN), bei 41 Gegenstimmen der Oppositionsparteien gebilligt. Während der zwölfstündigen, hitzigen Debatte waren Gegner der Reform in einer Art Kopie des Sturms auf das US-Kapitol in den Senat eingedrungen. Die Sitzung war daraufhin unterbrochen und in das ehemalige Parlamentsgebäude Casona de Xicoténcatl verlegt worden. Ein Versuch oppositioneller Senatoren, die Abstimmung in letzter Minute durch Besetzung der Senatorentribüne doch noch zu verhindern, war ebenfalls erfolglos.

Die Justizreform sieht vor, dass die mehr als 6.500 Richter und Staatsanwälte des Landes sowie die formal als »Minister« bezeichneten Richter des Obersten Gerichtshofs ab 2025 vom Volk gewählt werden. Bislang werden die Letztgenannten vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt. Ihre Zahl wird künftig von elf auf neun reduziert, die Amtszeit von 15 auf zwölf Jahre verkürzt. Zudem wird ein Disziplinarorgan eingerichtet, das die von ihnen verhängten Urteile überwacht. Kritiker der Reform sehen darin den Versuch, die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung zu untergraben. Für Unruhe im Justizapparat sorgt auch, dass die Gehälter der Mitglieder des obersten Verfassungsgerichts, der Richter und der Staatsanwälte an das Gehalt des Staatschefs gekoppelt und ihre Bezüge gekürzt werden sollen. Schließlich werden auch die Mitglieder des Bundesrates für das Justizwesen, der für die Verwaltung, die Aufsicht, die Disziplin und die richterliche Laufbahn zuständig ist, künftig von der Bevölkerung gewählt.

Hochbezahlte Bundesrichter, aber auch einfache Justizangestellte und Studenten hatten in den vergangenen Wochen mit Demonstrationen und Streiks versucht, das Reformpaket zu verhindern. Unterstützt wurden sie unter anderem vom Botschafter der USA und der Internationalen Handelskammer, die die Regierungspläne als »Bedrohung für die Handelsbeziehungen« Mexikos und des 2020 mit den USA und Kanada vereinbarten Freihandelsabkommens »T-Mec« bezeichneten. López Obrador protestierte daraufhin gegen die Einmischung Washington in innere Angelegenheiten seines Landes und legte die Beziehungen zur US-Botschaft vorübergehend auf Eis.

Nachdem Senat und Abgeordnetenhaus des Zweikammerparlaments mit den jeweils notwendigen Mehrheiten zugestimmt haben, sind die Hürden für eine Verfassungsänderung genommen. Die der Regierungspartei Morena angehörende Präsidentin der Verfassungskommission, Ernestina Godoy, selbst Juristin und Generalstaatsanwältin von Mexiko-Stadt, bezeichnete das Ergebnis als historische Reform, die durch eine Veränderung der Organisation und Integration der verschiedenen Organe der föderalen und der lokalen Justizbehörden einen echten Zugang für alle gewährleiste. »Die Reform zielt auf die Unabhängigkeit und Autonomie der Justiz ab, trennt die richterliche Funktion von politischer und wirtschaftlicher Macht und schützt sie vor faktischen oder kriminellen Interessen. Es muss sichergestellt werden, dass die Justiz jeden erreicht, unabhängig von seinem Einkommen oder seinem politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Einfluss«, erklärte Godoy.

Die Koordinatorin der rechtskonservativen PAN-Partei, Guadalupe Murguía, warnte dagegen, dass die geplanten Veränderungen ein »Todesstoß für die Demokratie« seien. Nachdem PAN-Senator Miguel Ángel Yunes Márquez mit dem Hinweis, dass in seiner Partei darüber nicht einmal diskutiert worden sei, Zustimmung signalisierte, waren die Würfel gefallen. An der Verabschiedung der Justizreform konnten weder Rufe wie »Verräter«, noch Drohungen gegen den abtrünnigen Senator oder das Eindringen in den Sitz des Senats etwas ändern.

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