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Aus: Ausgabe vom 12.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Logistik

Kein Job ist sicher

Teufel DSV oder Heuschrecke CVC: Verkauf der Deutsche-Bahn-Tochter Schenker vor Abschluss
Von Ralf Wurzbacher
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Der Teufel ist im Begriff, das Steuer zu übernehmen (Autozug in Bremerhaven)

Die Schulden der Deutschen Bahn (DB) sollen durch den Verkauf der einzigen Tochter gesenkt werden, die nennenswerte Gewinne erwirtschaftet, Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) macht Druck. Und der Verkaufspoker um den internationalen Speditionsriesen DB Schenker hat bei Arbeitervertretern eherne Grundsätze ins Wanken gebracht. Angesichts der zwei aussichtsreichen Bieter geht die Tendenz bei den rund 15.000 in Deutschland Beschäftigten in Richtung eines Akteurs, dem Werktätige sonst stets mit Abscheu begegnen. Ihr Favorit, Capital Partners (CVC), gilt als eines der weltweit größten Private-Equity-Unternehmen, die gemeinhin als Heuschrecken verschrien sind. Wo die einfallen, bleibt für gewöhnlich kein Stein auf dem anderen oder anders: Kein Job ist sicher.

Aber warum setzt die Gewerkschaft Verdi auf so ein Pferd? Weil der Mitbewerber, der dänische Logistiker DSV, einen noch schlechteren Ruf genießt. Nach einem Spiegel-Bericht vom Montag hat die Konkurrenz dem Konzern einen Namen verpasst: »De Satans Vognmænd«, die Fuhrleute des Teufels.

Das Problem: Der Teufel ist im Begriff, bei Schenker das Steuer zu übernehmen. In der Vorwoche hatte sich der sogenannte Lenkungsausschuss, besetzt mit hochrangigen Regierungsbeamten und zuständig für den Veräußerungsprozess, mit dem Thema befasst. Anschließend steckten Insider der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe eine Präferenz pro DSV. Umgehend haben Verdi und der Betriebsrat die Protestmaschine weiter angeheizt. Nach zu Wochenanfang kleineren Aktionen an verschiedenen Betriebsstandorten fand am Mittwoch eine 15minütige Mahnwache vor bundesweit sämtlichen Geschäftsstellen statt. Die Kolleginnen und Kollegen wollten ein »starkes Zeichen zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze« setzen, erklärte Andreas Henze, Fachbereichsleiter Postdienste, Speditionen und Logistik, beim Landesverband Baden-Württemberg.

Im Frühjahr waren noch vier Bieter im Topf um das große Fressen. Verblieben sind mit DSV und CVC zwei Interessenten, die jeweils rund 14 Milliarden Euro für den DB-Logistiker hinblättern wollen. Der Erlös soll überwiegend in die Schuldentilgung der Bahn fließen, die Verbindlichkeiten von 32 Milliarden Euro aufgetürmt hat. Kleinere Teile der Summe sollen nach dem Willen von Verkehrsminister Wissing in die Ertüchtigung des maroden Schienennetzes gesteckt werden. Zeitnah erwartet er die Vorlage eines entsprechenden Sanierungskonzepts durch Konzernchef Richard Lutz. Schnell könnte es auch mit dem Stabwechsel bei Schenker gehen. Nach Medienberichten steht eine Entscheidung womöglich noch in der laufenden Woche an.

Mit einem Zuschlag für die Dänen fiele die Wahl der Bundesregierung ausgerechnet auf den Kandidaten, der den Nochstaatsbetrieb absehbar am brutalsten umkrempeln wird. Der Konzern hat sich mit einer aggressiven Geschäftspolitik zur Nummer fünf in der Branche hochfusioniert. 2019 schluckte er den Schweizer Konkurrenten Panalpina und setzte ein Drittel der Belegschaft vor die Tür. Bei einer ähnlichen Gangart müssten von den weltweit 75.000 Schenker-Mitarbeitern Zehntausende um ihren Job bangen. Zwar sind Kündigungen hierzulande für die Dauer von zwei Jahren nach der Übernahme ausgeschlossen. Dafür könnte es danach um so rabiater zugehen. Bei Verdi fürchtet man den Wegfall von mittelfristig mehr als 5.000 der 15.000 Stellen in Deutschland.

Wie das Handelsblatt am Montag schrieb, soll das DSV-Gebot attraktiver sein als das des Mitbewerbers, da zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses (Closing) die volle Kaufsumme fällig werde, die dazu wohl ein wenig über dem Angebot von CVC liegt. Dieses Unternehmen mit Sitz in Luxemburg hat dagegen eine Milliarde Euro an die Erreichung des von Schenker selbst gesteckten Businessplans gekoppelt. Intern soll es Zweifel geben, ob dieses Ziel erreicht werden kann.

Zuletzt hatte CVC im Lenkungsausschuss für ein Alternativangebot geworben. Zunächst wolle die Heuschrecke nur 75,1 Prozent der Anteile erwerben, während der Rest bei der Bahn oder beim Bund verbleiben könne. Bei einem späteren Börsengang von Schenker werde CVC dann einen Wertgewinn von mindestens einer Milliarde Euro der in der öffentlichen Hand verbliebenen Anteile garantieren. Auch wolle man die Marke Schenker erhalten. Absehbar ist indes auch ein Stellenabbau, sofern der Fonds das Rennen macht. Die Rede ist von hierzulande mindestens 700 Arbeitsplätzen, auf mittlere Sicht würden es sicherlich mehr werden.

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