75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Mittwoch, 18. September 2024, Nr. 218
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 12.09.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Automobilproduktion in Belgien

Audi hat die Schlüssel wieder

Der Protest der Belegschaft in Brüssel geht weiter. Sie wollen Gewissheit über ihre Zukunft. Denn Audi Brussels könnte die Fabrik schließen
Von Gerrit Hoekman
15.jpg
Arbeiter von Audi Brussels setzten am Montag bei Protesten gegen die Volkswagen-Tochter Barrikaden in Brand

Die Belegschaft von Audi Brussels hat die Schnauze gestrichen voll. Sie will endlich wissen, wie und ob es im Werk am Standort in Vorst weitergeht. Schließlich stehen alle 3.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Am Donnerstag vor einer Woche »beschlagnahmten« die Gewerkschaften die Schlüssel von etwa 200 zur Auslieferung an die Händler bereitstehenden Autos. Am Dienstag nachmittag um 14.30 Uhr gaben die Gewerkschaften die Schlüssel an die Werksleitung zurück. Bei der Übergabe stellte sich heraus, es waren sogar 303. Ein staatlich bestellter Gerichtsvollzieher dokumentierte die Herausgabe der Schlüssel.

»Wir haben gestern beschlossen, uns mit der Geschäftsführung zu beraten, um den sozialen Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen«, sagte Franky De Schrijver, der Vertreter der großen sozialistischen Gewerkschaft ABVV, am Dienstag dem flämischen Nachrichtensender VRT Nws. »Daran haben wir aber ein paar Bedingungen geknüpft: Es musste im Beisein eines Gerichtsvollziehers geschehen, es durfte keine Strafverfolgung mehr stattfinden und der soziale Dialog musste wieder in Gang kommen.«

Die Werksleitung hatte Anfang der Woche Strafanzeigen wegen Diebstahls angekündigt. Die Videokameras in der Fabrik hätten die Schlüsseldiebe aufgenommen. Am Montag und Dienstag hatten jeweils zwischen 100 und 200 Arbeitswillige vor einem verschlossenen Werktor gestanden – Audi hatte sie wegen der Schlüsselaffäre ohne Lohnzahlung ausgesperrt. Am Dienstag schob das Unternehmen die Drohkulisse dann beiseite. »Für uns ist damit der Vorfall abgeschlossen«, erklärte Peter D’hoore, der Sprecher von Audi Brussels, laut VRT Nws. Die Rückgabe der Schlüssel bedeutet indes nicht die Wiederaufnahme der Produktion in Vorst. Dazu müsse auch genug Personal bereit sein, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Das war nach Angaben der Werksleitung am Mittwoch noch nicht der Fall.

Audi stellt in Vorst sein Modell »Q8 E-Tron« her. Die Produktion wird Ende 2025 eingestellt. Am Dienstag vor einer Woche teilte die Direktion dem Betriebsrat mit, dass danach kein neues Modell mehr für Vorst vorgesehen ist. Auch die Konzernmutter Volkswagen, die früher hier auch einmal Autos produzierte, wird nicht für die Tochter aus Ingolstadt in die Bresche springen. VW hat genug eigene Sorgen. »Das bedeutet die Schließung der Fabrik«, vermuten die Gewerkschaften. Audi bestreitet das. »Wir führen Gespräche mit potentiellen Investoren«, verriet Firmensprecher D’hoore am Montag dem Sender VRT Nws zufolge. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sollten den Interessenten also gerade jetzt zeigen, dass sie »auch unter schwierigen Bedingungen immer noch arbeiten«, riet D’hoore.

Wer die möglichen Investoren sind, behält Audi für sich. Die Belegschaft stochert im Nebel. »Das Misstrauen ist enorm groß«, sagte Jan Baetens von der christlichen Gewerkschaft ACV-CSC am Montag laut VRT Nws. Der Graben zwischen den Gewerkschaften und der Werkleitung ist mittlerweile metertief und niemand hat bis jetzt eine zündende Idee, wie er noch überbrückt werden könnte. Immerhin kommt der Dialog jetzt wieder in Gang. Seit Donnerstag vor einer Woche, als die Gewerkschaften die Autoschlüssel »beschlagnahmten«, habe die Werkleitung nur noch schriftlich mit ihnen verkehrt, erklärte der Vertreter des sozialistischen ABVV, De Schrijver, kurz vor der Wiederaufnahme der Gespräche am Mittwoch morgen gegenüber dem flämischen Privatsender VTM. Für den ABVV sei zunächst nur ein Thema wichtig: Die Nachzahlung der Löhne, die Audi Brussels seitdem einbehalten habe.

Die Tageszeitung De Morgen sah schon am 4. September dunkle Wolken aufziehen. Nicht nur über Vorst, sondern über Belgien und den gesamten EU-Raum: »Wenn wir nicht aufpassen, wird die Schließung der Beginn einer Industriekrise sein. Eine europäische Industriekrise.« Besonders die deutschen Hersteller wie Audi hätten viel zu lange auf Verbrennermotoren gesetzt und den Chinesen den Markt für Elektrofahrzeuge überlassen. »Es ist bezeichnend, dass die letzte Hoffnung für die Automobilproduktion in Vorst aus China kommt.« Falls sie denn überhaupt kommt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Der Konzern schweigt sich über den Abbau aus. Für Beschäftigte i...
    28.08.2024

    Zwangsurlaub bei Audi

    Standort im belgischen Vorst: Weiter Freistellung von Belegschaft. Gewerkschaft rechnet mit Massenentlassungen. Werk vermutlich vor Schließung
  • Aktuell wird in Vorst der Elektro-SUV Q8 E-Tron gefertigt
    07.02.2024

    Buhrufe für Audi-Manager

    Autobauer will Brüsseler Werk herunterfahren und in China produzieren. Kahlschlag befürchtet

Regio:

Mehr aus: Betrieb & Gewerkschaft