Die nächste Flut kommt
Von Wolfgang PomrehnIst Deutschland auf Hochwasser an seinen Flüssen ausreichend vorbereitet? Mit dem Klimawandel werden auch die Meere wärmer, wie derzeit gut über dem Nordatlantik, einschließlich Nord- und Ostsee, zu beobachten ist. Die Oberflächentemperaturen bewegen sich dort seit 19 Monaten oft auf historischem Höchststand, sie liegen kontinuierlich weit über dem Durchschnitt der vergangenen 40 Jahre. Gleiches gilt fürs Mittelmeer, wo in diesem Sommer vereinzelt Wassertemperaturen über 30 Grad Celsius gemessen wurden. Wärmeres Wasser bedeutet höhere Verdunstungsraten, damit mehr Wasserdampf in der Luft und stärkere Niederschläge.
Die Folgen konnten in diesem Jahr auch hierzulande bereits mehrfach beobachtet werden. Das begann zum Jahreswechsel mit weitläufigen Überschwemmungen in Niedersachsen. Aller, Leine und Oker traten über die Ufer. Dörfer wurden überschwemmt und flache Landstriche in Seenlandschaften verwandelt. Es folgten sommerliche Hochwasser in großen Teilen Süddeutschlands, ausgelöst von Niederschlagsmengen, wie sie bisher statistisch nur alle 100 Jahre aufgetreten sind. In 15 bayerischen Landkreisen und drei kreisfreien Städten wurde der Katastrophenfall ausgelöst.
Im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat nun das unabhängige Berliner Institut für Umweltfragen einen Überblick erstellt, wie viele Menschen in tendentiell durch Hochwasser gefährdeten Regionen leben und wo diese zu finden sind. Das Ergebnis der am Mittwoch veröffentlichten Studie: Entlang der Elbe und ihrer Nebenflüsse sind es knapp 100.000 Anwohner, am Rhein und dessen Nebenflüssen weitere 190.800.
Die Zahlen haben die Autoren »Hochwasserrisikomanagementplänen« entnommen, die für die einzelnen Flüsse alle sechs Jahre evaluiert werden. Zuletzt ist dies 2021 geschehen. Allerdings sind dies offensichtlich eher Mindestangaben, wie die Autoren betonen. Ein Vergleich mit den während des Oderhochwassers 1997 tatsächlich Betroffenen und der im aktuellen Plan für die Oder angegeben potentiell Betroffenen lasse darauf schließen.
Außerdem ist hier nur von den Regionen mit sehr hohem Risiko die Rede, die statistisch gesehen bisher alle zehn Jahre mit einem Hochwasser rechnen mussten. Einschränkend kommt weiter hinzu, dass in den Plänen der Klimawandel nur unzureichend berücksichtigt wird. Dieser erhöht die Hochwasserrisiken zunehmend, wie unter anderem an der Häufung bisher nur sehr selten auftretender Extremereignisse abzulesen ist.
Mit den Überschwemmungen nimmt auch die Höhe der angerichteten Schäden an Häusern und Infrastruktur zu. Bei dem schweren Julihochwasser 2021 im Ahrtal und an der Erft beliefen sie sich auf mehr als 40 Milliarden Euro. Vieles davon wurde aus öffentlichen Haushalten abgedeckt, was nicht jedem recht ist. In der Berliner Koalition wird derzeit über verbesserten Versicherungsschutz gestritten. Als Kompromiss zeichnet sich derzeit ab, dass Versicherungen verpflichtet werden, entsprechende Policen anzubieten, es den Hausbesitzern aber freigestellt bleibt, diese abzuschließen. Mittelfristig würden auf diesem Weg vermutlich die Risiken privatisiert. Wer es sich nicht leisten kann, eine entsprechende Versicherung gegen Hochwasserschäden abzuschließen, hat dann eben Pech gehabt.
Doch Versicherungen sind nur ein Teil des Problems. Insbesondere die Katastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass bei den Warnsystemen und im Katastrophenschutz vieles im Argen liegt. Trotz frühzeitiger Warnungen der hiesigen wie auch der europäischen Wetterdienste mit zum Teil mehreren Tagen Vorlaufzeit war den Verantwortlichen vor Ort wie auch den Anwohnern der Ahr nicht klar gewesen, was da auf sie zukam. Andernfalls hätten viele der 135 Todesopfer vermieden werden können. Im rheinland-pfälzischen Landtag hat sich ein Untersuchungsausschuss annähernd drei Jahre lang mit den Ursachen der Katastrophe und den Versäumnissen beschäftigt und einen rund 2.000 Seiten dicken Bericht vorgelegt. Mitte kommender Woche wird das Mainzer Landesparlament über ihn abschließend beraten.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. September 2024 um 21:03 Uhr)Ein Blick auf die Vergangenheit zeigt, dass Hochwasser an der Elbe, dem Rhein und ihren Nebenflüssen schon immer verheerende Schäden angerichtet haben. So etwa das Jahrhunderthochwasser der Elbe 2002, das weite Teile Sachsens und Sachsen-Anhalts unter Wasser setzte und Schäden in Milliardenhöhe verursachte. Tausende Menschen mussten evakuiert werden, und ganze Dörfer standen tagelang unter Wasser. Ein weiteres Beispiel ist die große Rheinflut von 1926, die Köln und umliegende Städte massiv überschwemmte. Über 30.000 Menschen wurden obdachlos, und der wirtschaftliche Schaden war enorm. Noch weiter zurück liegt die verheerende Flut von 1784, als plötzliches Tauwetter nach einem strengen Winter die Hochwasser von Rhein und Elbe weite Teile West- und Mitteldeutschlands überflutete. Vor diesem historischen Hintergrund müsste es selbstverständlich sein, dass heutige Hochwassergebiete nach modernen Standards gegen solche Naturereignisse geschützt werden. Hier sind vor allem die Kommunalpolitik und Bürgerinitiativen gefragt, um präventive Maßnahmen wie Deichbau, Rückhaltebecken und Überschwemmungsflächen zu fördern und durchzusetzen. Sollte es dennoch zu einer Hochwassergefahr kommen, muss zumindest sichergestellt sein, dass rechtzeitig eine organisierte Evakuierung erfolgt. Ein ausgereiftes Warnsystem, das durch moderne Technologien unterstützt wird, sollte in einem Land wie Deutschland selbstverständlich sein. Die Katastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hat jedoch deutlich gemacht, dass es gerade im Bereich des Katastrophenschutzes und der Warnsysteme erhebliche Mängel gibt. Es bleibt daher zu hoffen, dass Hochwasserregionen künftig nicht nur durch bauliche Maßnahmen, sondern auch durch klare Kommunikations- und Evakuierungsstrategien besser geschützt werden. Andernfalls werden sich solche Katastrophen in Zukunft wiederholen – mit immer verheerenderen Folgen für Mensch, Eigentum und Natur.
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