Kultur der Vergewaltigung
Von Carmela NegreteÜber den ursprünglichen Skandal ist in Deutschland praktisch nicht berichtet worden: Antonio Martín, Bürgermeister der rechtskonservativen Volkspartei Partido Popular (PP) in einem Dorf der Provinz Kastilien und León, sang am 25. August auf der bei einem Volksfest auf der Bühne ein Lied über die Vergewaltigung eines kleinen Mädchens. In einem Video, das durch die sozialen Netzwerke ging, bleibt kein Zweifel am pädophilen Inhalt des Liedes: »Ich fand ein kleines Mädchen allein im Wald, nahm sie bei der Hand und brachte sie in mein Bett. Ich hob ihr Röckchen hoch und zog ihr Höschen runter. Ich führte ihr die erste Portion ein. Ich führte ihr die zweite Portion ein. Beim dritten Mal war keine Milch mehr übrig.«
Neben weiteren Politikern teilte die Generalsekretärin von Podemos, Ione Belarra, das Video auf X und kommentierte: »Es hat mir Übelkeit verursacht und mich schockiert. Das ist Vergewaltigungskultur und darf nicht toleriert werden.« Alle Parteien, außer die ultrarechte Vox, der Martín früher einmal angehört hatte, verurteilten die Tat. Besonders linke Parteien übten scharfe Kritik. Daraufhin schloss die PP Martín aus der Stadtfraktion aus. »Wir bekräftigen unser Engagement gegen jegliche erniedrigende Haltung gegenüber Frauen und Minderjährigen«, erklärte die Partei auf X.
Und dennoch: Bis heute ist der Politiker als Bürgermeister im Amt, auch rechtliche Konsequenzen drohen ihm nicht. Bei dem Lied soll es sich um ein Volkslied handeln, dass in dem 79-Seelen-Dorf immer auf dem Fest gesungen wird, quasi als Feier der Kultur der Vergewaltigung. Spanische Sender haben das Dorf besucht, dabei stellte sich heraus, dass die Bewohner überrascht waren, dass es so einen so großen Aufstand wegen eines – ihrer Meinung nach – unschuldigen Liedes gab. Das zeigt, wie leichtfertig in Teilen Spaniens mit den Themen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung umgegangen wird, selbst bei Kindern.
Ausgerechnet die katholische Kirche hat sich nun auch noch zu Wort gemeldet, und zwar um den Bürgermeister zu verteidigen: Der Vorsitzende der spanischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Valladolid, Luis Argüello, nahm Martín in einem Interview mit Europa Press in Schutz und rechtfertigte den Vorfall unter anderem mit Alkoholgenuss zu später Stunde. Außerdem warnte er vor einer »übermäßig puritanischen Gesellschaft«. Dass die spanische Kirche eine Person verteidigt, die Pädophilie und Vergewaltigung verherrlicht, hat mehr als ein Geschmäckle. Schließlich ist sie diejenige, die ihren Mitgliedern Schwangerschaftsabbruch verbietet und selbst vergewaltigten schwangeren Minderjährigen davon abrät. Demgegenüber hat die christliche Anwaltsvereinigung Abogados Cristianos angekündigt, eine Klage gegen Martín wegen Anstiftung zur Pädophilie einzureichen.
Im vergangenen Oktober stellte der verantwortliche Ombudsmann des Parlaments eine erste offizielle Untersuchung über sexualisierte Gewalt in der spanischen Kirche vor. Darin wird von 440.000 Fällen seit 1950 ausgegangen – rund 1,13 Prozent der Bevölkerung. Die Betroffenen sind weder entschädigt worden, noch gab es irgendwelche Konsequenzen für Verantwortliche. Auch im Nachbarland Portugal sieht es nicht besser aus. Ein Bericht vom Februar stellte fest, dass dort mehr als 4.800 Kindern, besonders solchen zwischen zehn und 14 Jahren, durch Mitglieder der katholischen Kirche Gewalt angetan worden ist. Und das ist nur der interne Bericht der Kirche. Ein anderes Dokument von einer unabhängigen Kommission aus dem Jahr 2022 schätzte die Zahlen viel höher ein: Insgesamt rund 3.000 Geistliche hätten sich an circa 200.000 Minderjährige sexuell vergangen.
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