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Aus: Ausgabe vom 14.09.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Beijing Xiangshan Forum

China vermittelt

Beijinger Xiangshan-Forum: Sicherheitspolitische Konferenz im Zeichen der Friedensverhandlungen
Von Jörg Kronauer
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Chinas Verteidigungsminister Dong Jun auf der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz am Freitag in Beijing

Der Auftakt hatte es in sich. Bereits im kommenden Monat, erklärte Olexander Tschalij am Donnerstag auf einer der Eröffnungssitzungen des diesjährigen Beijinger Xiangshan-Forums, könne Chinas Präsident Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij zusammentreffen, um ein Ende des Ukraine-Kriegs in den Blick zu nehmen. Nachdem der mittlerweile zurückgetretene ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba im Juli in China gewesen sei, um dort entsprechende Gespräche zu führen, »warten wir alle in der Ukraine auf direkten Austausch zwischen Präsident Selenskij und Präsident Xi«. Was war da dran? Tschalij hatte den Posten des stellvertretenden Außenministers in Kiew inne. Ob dort aber wirklich Interesse bestand, den Krieg zumindest einzufrieren – wer wusste das schon? Klar schien: Tschalij würde eine Hoffnung weckende Aussage von solcher Reichweite kaum auf dem Xiangshan-Forum getätigt haben, liefe sie den Interessen seiner chinesischen Gastgeber zuwider. Kann sie da ganz aus der Luft gegriffen sein?

Das Beijinger Xiangshan-Forum ist die größte sicherheitspolitische Konferenz mit globaler Beteiligung, die China abhält. Sie findet dieses Jahr zum elften Mal statt. Laut Angaben der Organisatoren nehmen an der Veranstaltung, die am Donnerstag eröffnet wurde und am heutigen Samstag zu Ende geht, mehr als 500 offizielle Vertreter von rund 100 Staaten und internationalen Organisationen sowie mehr als 200 Experten und Wissenschaftler aus der Volksrepublik und zahlreichen anderen Staaten teil – mehr denn je zuvor. Zu der Konferenz angereist sind mehrere Verteidigungsminister, etwa Vietnams, Singapurs und Kambodschas, der Vereinigten Arabischen Emirate und von Belarus, auch ein stellvertretender Verteidigungsminister Russlands. Vertreten sind zudem Organisationen wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, aber auch die NATO und die EU. Doch westliche Staaten hätten, wenn überhaupt, nur Delegationen von niedrigem Rang geschickt, hieß es in Beijing.

Aufmerksam notiert wurde, dass die Vereinigten Staaten eine Delegation entsandt haben. So hatten sie es bereits im vergangenen Jahr gehalten, damals nutzte die Pentagon-Abordnung die Veranstaltung, um eine Wiederbelebung der Kontakte zwischen den Streitkräften beider Staaten anzubahnen, die Beijing nach dem Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan abgebrochen hatte. Mit Erfolg. In diesem Jahr entsandte das Pentagon Michael Chase, einen für China, inklusive Taiwan sowie für die Mongolei zuständigen Führungsbeamten, der – amtierend als Deputy Assistant Secretary of Defense – im Rang zwar nicht formell, doch inhaltlich höher eingestuft wird als die Leiterin der Vorjahresdelegation. Ein kleines Zugeständnis Washingtons, das sorgsam darauf achtet, kein zu bedeutendes Personal auf die chinesische Konferenz zu schicken. Den Gesprächen, die Chase am Rand des Xiangshan-Forums führt, werden Bedeutung zugeschrieben – und zwar aufgrund der gefährlich eskalierenden Spannungen zwischen China und den USA im Südchinesischen Meer.

Zu diesen fand Generalleutnant He Lei, Exvizepräsident der chinesischen Akademie der Militärwissenschaften, deutliche Worte. »Wir hoffen«, erklärte He, »dass das Südchinesische Meer ein Meer des Friedens bleibt.« Sollten allerdings die Vereinigten Staaten Intrigen spinnen, sollten sie andere Länder zu Provokationen drängen – es ging um den eskalierenden Konflikt zwischen China und den Philippinen – oder sich selbst in Konflikten in die erste Reihe schieben, dann werde die chinesische Volksbefreiungsarmee das nicht tolerieren. Man werde »sämtliche feindlichen auswärtigen Übergriffe auf Chinas territoriale, souveräne und maritime Rechte und Interessen mit Entschlossenheit, eisernem Willen, starken Fähigkeiten und effizienten Mitteln niederschlagen«. In den Territorialkonflikten im Südchinesischen Meer nachgeben, das stellte He damit klar, wird Beijing nicht.

Dessen ungeachtet rief Chinas Verteidigungsminister Dong Jun dazu auf, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen. Zu diesem Zweck, erklärte er, sei Beijing bereit, künftig »mit allen zusammenzuarbeiten«, auch »bilaterale und multilaterale Vereinbarungen über eine Verteidigungskooperation« zu schließen. »Für Frieden und Verhandlungen zu werben«, das sei »der einzige Ausweg«, insbesondere aus dem Ukraine- und dem Gazakrieg: »Es gibt keinen Gewinner in Krieg und Konflikt, und Konfrontation führt nirgendwohin«, erklärte Dong. »Je schärfer der Konflikt ist, desto weniger dürfen wir Dialog und Beratungen aufgeben (…) am Ende jedes Konflikts steht Versöhnung.« Dass es dazu Vermittler brauche, hatte auf dem Beijinger Xiangshan-Forum bereits zuvor Lye Liang Fook konstatiert, ein Experte von der Denkfabrik ISEAS-Yusof Ishak Institute in Singapur. Eine Vermittlerrolle aber habe in den vergangenen Jahren immer wieder China angestrebt. Man dürfe wohl erwarten, dass die Volksrepublik dies weiterhin tue. Auf den Ukraine-Krieg bezog Lye das nicht ausdrücklich. Implizit aber stand die Frage, ob es zu einer Vermittlung durch die Volksrepublik komme, auch weiterhin im Raum.

Hintergrund: Konferenz im Wachstum

Als das Beijinger Xiangshan-Forum im Jahr 2006 zum ersten Mal abgehalten wurde, nahmen Personen aus gerade mal 14 Staaten teil. Die damals noch recht kleine Konferenz sei »eine von vielen« gewesen, erinnerte sich kürzlich Ian Chong, Assoziierter Professor an der National University of Singapore. Doch sie wuchs rasch. Vom Zweijahres- auf Einjahresrhythmus umgestellt, hatte sie im Jahr 2018 bereits Teilnehmer aus mehr als 70 Staaten, und nach einer Unterbrechung aufgrund der Covid-19-Pandemie steigerte sie ihre Teilnehmerzahl erneut. Längst ist sie nicht mehr nur »eine von vielen«, sondern die wohl wichtigste Sicherheitskonferenz in der Volksrepublik.

Konzipiert ist das Xiangshan-Forum in Beijing als eine Art Gegenstück zum Shangri-La-Dialog. Dieser wird jährlich vom International Institute for Strategic Studies (IISS) aus London organisiert, als Sicherheitskonferenz mit Schwerpunkt Asien, parallel zum Manama-Dialog des IISS, der seinen Schwerpunkt auf dem Nahen und Mittleren Osten hat. Der Shangri-La-Dialog findet im teuren Shangri-La-Hotel in Singapur statt, dem Stadtstaat, in dem die westlichen Staaten recht stark verankert sind. Er hat – wie sollte es bei einer IISS-Konferenz auch anders sein – eine klare westliche Schlagseite. Zwar nehmen regelmäßig auch hochrangige Personen aus Beijing teil, insbesondere der Verteidigungsminister. Doch befinden sie sich ebenso regelmäßig in einer klaren Minderheitenposition.

Anders als der Shangri-La-Dialog hat das Beijinger Xiangshan-Forum – versteht sich – keine westliche Schlagseite. Es zielt vielmehr ganz bewusst darauf ab, den globalen Süden zu integrieren. Staaten, die traditionell vom dominanten Westen gänzlich ignoriert worden seien, sollten jetzt endlich eine eigene Stimme erhalten, heißt es dazu in Beijing. Teilnehmer aus dem Westen sind auf der chinesischen Sicherheitskonferenz in der Minderheit.

(jk)

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