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Aus: Ausgabe vom 14.09.2024, Seite 5 / Inland
Verkehrspolitik

Dänen schlucken Schenker

Bahn-Logistiktochter wechselt für 14,3 Milliarden Euro den Besitzer. Käufer DSV steht auf Massenentlassungen, Kritiker beklagen Spottpreis
Von Ralf Wurzbacher
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Dänische Esskultur dürfte künftig häufiger an deutschen Bahnstationen zu finden sein – wie hier in Hamburg

Die Speditionstochter der Deutschen Bahn, DB Schenker, ist schon bald in dänischer Hand. Für 14,3 Milliarden Euro geht der einzig verbliebene Gewinnbringer des kriselnden und hochverschuldeten Staatskonzerns an den Logistikkonzern DSV im Norden Europas. Das machten beide Parteien am Freitag vormittag publik. Ein bereits unterzeichneter Vorvertrag bedürfe noch der Zustimmung von Aufsichtsrat und Eigentümern, bevor die Transaktion im zweiten Quartal 2025 formal zum Abschluss komme, hieß es seitens des DB-Vorstands. Der Gesamterlös – inklusive erhoffter Zinserträge 14,8 Milliarden Euro – soll demnach vollständig bei der DB verbleiben und zum großen Teil dem Abbau der Verbindlichkeiten dienen. Die türmen sich auf inzwischen 32 Milliarden Euro auf.

Argumentativ unterfüttert wird der Verkauf mit der Ansage, die Bahn wolle sich wieder auf ihr Kerngeschäft, die Eisenbahn, konzentrieren und dafür ihre Auslandsaktivitäten weitgehend einstellen. Nur wie will die DB mit ihren notorischen Verlustbringern – dem Fernverkehr und der Frachtsparte DB-Cargo – wieder in die schwarzen Zahlen fahren, ganz ohne Schenker als ihrem bisher einzig flotten Pferd? »Die Ampel verscherbelt öffentliches Eigentum zum Spottpreis«, meint Victor Perli von der Bundestagsgruppe Die Linke. »Das ist eine groteske Fehlentscheidung. Ohne Schenker werden die Schulden künftig noch schneller steigen. Das ist im Interesse derjenigen, die die Bahn zerschlagen und weitere Filetstücke privatisieren wollen«, äußerte er am Freitag gegenüber jW.

Der Zuschlag pro DSV hatte sich angedeutet. Das im Bieterkampf geschlagene Private-Equity-Unternehmen Capital Partners (CVC) glaubte sich während des gesamten Verfahrens benachteiligt. Auch ein in der Vorwoche präsentiertes Alternativangebot stimmte die Entscheider bei Bahn und Bundesregierung nicht mehr um. Nun sieht sich die Ampel dem Vorwurf ausgesetzt, mit ihrer Wahl möglichen Massenentlassungen Vorschub zu leisten. DSV steht im Ruf, mit einer aggressiven Einkaufspolitik Wettbewerber aus dem Weg zu räumen und die Beute ohne Rücksicht auf die Beschäftigten auf Maximalprofit zu trimmen. 2019 schluckten die Dänen die Schweizer Panalpina und setzten anschließend ein Drittel der Belegschaft an die Luft. Unter der Woche hatten Schenker-Mitarbeiter vor sämtlichen Geschäftsstellen des Unternehmens Stellung bezogen, um vor einem Deal mit DSV zu warnen – alles umsonst.

Die Verantwortlichen setzen auf Beschwichtigung und verweisen auf Sozialzusagen zum Schutz von Arbeitsplätzen, die Kündigungen bis 2027 ausschließen sollen. Mittels Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro in den kommenden drei bis fünf Jahren wolle DSV »in Zukunft mehr Arbeitsplätze in Deutschland bieten, als in den heute bestehenden zwei Organisationen vorhanden sind«, ließ die Bahn verlauten. Ziel sei es, »eines der führenden Unternehmen der Transport- und Logistikbranche zu schaffen« und Deutschland zu einem »noch wichtigeren Markt« zu machen. Dafür bliebe auch die Zentrale in Essen erhalten, deren Abwicklung die Gewerkschaft Verdi befürchtet. Eines wird nach Lage der Dinge aber ausradiert: die Marke Schenker.

Kritik übt auch das Bündnis »Bahn für alle«, dessen Sprecher Carl Waßmuth jW sagte: »Die DB liegt am Boden«, aber Verkehrsminister Volker Wissing (SPD) »tritt noch nach«. Schenker sei ein Symbol »für unsinnigen Handel mit Stücken der Bahn – verkauft, zurückgekauft, wieder verkauft – und immer mit Verlusten«. Dabei benötige die BRD für die Klimawende und den Ausbau des Schienengüterverkehrs dringend Know-how in Logistik und Lieferketten. »Das geht jetzt alles an die Dänen für einen Appel und ein Ei.«

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