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Aus: Ausgabe vom 16.09.2024, Seite 1 / Titel
Automobilwirtschaft

Autoindustrie schrottreif

Verband sieht Millionen Jobs in Gefahr – wegen CO2-Grenzwerten. Umweltschützer kritisieren Strategie der Bosse. Arbeitskampf bei VW angekündigt
Von Oliver Rast
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Stoßstange an Stoßstange: Vollelektrische Vehikel auf Halde bei VW im sächsischen Zwickau

Da verlassen Abertausende Karossen im Tagestakt das Band – und gammeln auf Werkshöfen vor sich hin. Absatzkrise nennt sich das. Also, von wegen automobil, immobil ist die Lage. Mit Folgen: Die Autoindustrie ist im freien Fall. Immer tiefer. Europaweit. Vertreter des europäischen Automobilverbands ACEA treten auf die Klötzer, rammen mit Wucht das Stoppschild in die Piste. Und mahnen: Millionen Jobs seien in der Branche gefährdet. Etwa weil verschärfte EU-Klimavorgaben nicht einzuhalten wären, berichtete dpa am Sonnabend aus einem internen Verbandspapier.

Das Politikum: die sogenannten Flottengrenzwerte. Die legen die Schwellenmarke für den Kohlendioxidausstoß von Benzinkutschen fest. Wird jene im EU-Durchschnitt überschritten, gibt’s für die Hersteller eines auf die Motorhaube. Derzeit liegt der Grenzwert bei 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer pro Fahrzeug. Er soll 2025 auf 93,6 Gramm und 2030 auf 49,5 Gramm sinken.

Nicht zu schaffen, meinen die Autobauer. Weil: »Es gibt keine reinen Verbrennungsmotoren, die weniger als 95,6 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen«, heißt es im ACEA-Papier. Auch kaum ein Hybrid – also ein Auto mit Elektro- und Verbrennungsmotor – schaffe es, unterhalb der Marke zu bleiben. »Folglich wird die EU-Industrie mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe konfrontiert.« Wer Strafen entgehen wolle, habe faktisch keine andere Wahl, »als die Produktion erheblich zu drosseln, was Millionen von Arbeitsplätzen in der EU bedroht«, so der ACEA.

Pure Alarmstimmung der Industriellen, finden hingegen Umweltschützer. Der Vorstoß von ACEA sei an Dreistigkeit fast nicht zu überbieten, sagte Sebastian Bock, Geschäftsführer der Umweltorganisation Transport & Environment Deutschland, am Sonnabend gegenüber dpa. Schließlich haben die Autobosse in den vergangenen zwei Jahren rund 130 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Dank der Mehrwertproduktion der Beschäftigten, wohlgemerkt. Ferner sei das CO2-Ziel seit 2019 bekannt. Genügend Zeit also, die Produktion zu transformieren. Das sieht Marion Tiemann ähnlich. Es sei »ein Armutszeugnis«, wenn nun die Autoindustrie kurz vor knapp mehr Zeit beim Klimaschutz fordere, betonte die Greenpeace-Sprecherin. »Das Jammern über angeblich zu strenge Grenzwerte kann die fehlende langfristige Strategie nicht verdecken.«

Dicke Luft herrscht besonders bei VW. Für Konzernbosse steht offenbar alles zur Disposition. Jobs, Werke, Zukunft. Betriebsbedingte Kündigungen samt Standortschließungen würden krisenbedingt erwogen, hatte jüngst der Pressestab aus der Wolfsburger Firmenzentrale verlautbart. Kurz vor Beginn der Tarifgespräche ab 25. September. Ein historischer Tabubruch, so die Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo am Wochenende im Magazin Focus. Das ließen sich Kollegen und Belegschaftsorganisation nicht gefallen. Sie würden sich »wehren mit allem, was wir haben«. Bis hin zum Arbeitskampf, mit Streiks.

Bloß: Wer zieht die Karren aus dem Dreck, besser die SUVs von der Halde auf die Straße? Das scheint völlig offen. Längst ist die Rede davon, VW solle mal lieber wieder Volkswagen basteln. Klein, günstig, verbrauchsarm, so für die Massen.

Zunächst geht es aber PS-stark weiter: Am Dienstag startet die IAA, die Internationale Automobilausstellung für Nutzfahrzeuge in Hannover. Eine gigantische Leistungsshow dreckiger Spritmonster und elektromobilen Truckschrotts in spe. Auch hier zeigt die Kurve der Neuzulassungen: nach unten.

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  • Leserbrief von Günter Steinke aus Wiesbaden (16. September 2024 um 13:55 Uhr)
    »Eigentum verpflichtet« – steht das nicht im Grundgesetz? Die Enkelgeneration der Familien Porsche und Piech scheint sich nur verpflichtet zu fühlen, jährlich einige Milliarden an Dividenden einzustreichen. Selbst mehr als 40 Milliarden Euro Strafzahlungen als Folge des weltweiten Abgasbetruges der in Fahrzeugen des Konzerns verbauten Dieselmotoren wurden ohne zu zucken akzeptiert. Dass dieses Geld in der Folge wahrscheinlich fehlte, um u. a. funktionierende Softwareprogramme für die gesamte Flotte des Volkswagen-Konzerns zu entwickeln, könnte eine Ursache für die aktuellen Absatzschwierigkeiten sein.
    Dass jetzt aber ausgerechnet der für das Land Niedersachsen als Aufsichtsrat in das Kontrollgremium des VW-Konzerns entsandte Ministerpräsident Weil nach staatlichen Subventionen und Kaufanreizen aus Steuermitteln für E-Autos ruft, kommt etwas spät. Zu früh war dagegen seine Feststellung vor ca. drei Jahren, als er in einer Antwortmail an mich behaupten ließ, der Abgasskandal sei ausgestanden, das Land Niedersachsen habe bereits wieder 180 Millionen € Dividende erhalten. Er gibt sich also mit »peanuts« zufrieden, statt seine Aufsichtspflichten gewissenhaft zu erfüllen.
    Leidtragende sind die »kleinen« Beschäftigten an den Bändern der Produktion und in den Büros des VW-Konzerns die jetzt von Massenentlassungen bedroht sind.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (16. September 2024 um 12:03 Uhr)
    »Wer zieht die Karren aus dem Dreck?« Der Autor hat die (Schein-) Lösung: »Längst ist die Rede davon, VW solle mal lieber wieder Volkswagen basteln. Klein, günstig, verbrauchsarm, so für die Massen«. Also noch mehr Autos produzieren. Als könnte man dadurch Krisen vermeiden, die doch im Kapitalismus unvermeidlich sind. Wenn VW mit der Produktion kleinerer »Volkswagen« kurzfristig Erfolg hat, ziehen die Konkurrenten (heute geht man mit der Zeit und spricht von »Wettbewerbern« oder »Mitbewerbern«) nach und die Produktion für die Halde geht munter weiter.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in jutta h. aus frankfurt am main (16. September 2024 um 10:00 Uhr)
    Das sogenannte Automobil steht im Durchschnitt 20 von 24 Stunden still. Wer würde anderen Gebrauchsgegenständen – wie z. B. dem Kühlschrank, TV-gerät, PC oder Mobiltelefon – eine so miserable Leistungsbilanz zubilligen? Vermutlich niemand! Statt die auto-industriellen ANZUHALTEN, sich ums wohl von mensch und umwelt verdient zu machen – indem sie komplett und wegweisend auf die Produktion höchst ansehnlicher Angebote für den öffentlichen personennah- und fernverkehr umsteigen -, dürfen sie uns einfach weiter gen Wand fahren, und wir wechseln statt der Richtung meist nur das Privatfahrzeug. scha[n]de!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (16. September 2024 um 09:35 Uhr)
    Zum einen hat hier die Autoindustrie nicht ganz unrecht. Ja, sie hätte eher loslegen können. Schon Exkanzler Schröder gewährte der Automobillobby falsche, umweltschädliche und kontraproduktive Schutzräume. Allerdings sind CO2-Ziele nicht machbar, die unter gegebenen Rahmenbedingen zu Produkten führen, die nur eine Minderheit bezahlen kann und eine noch kleinere Minderheit bezahlen will. Die alleinige Ausrichtung auf E-Mobilität ist falsch. Die alleinige Ausrichtung auf Beibehaltung der Mobilität primär durch PKW-Verkehr ist falsch. Ein integriertes Konzept unter Einbeziehung und Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs ist notwendig. Auch das kann unter den Bedingungen von Krieg, Hochrüstung und weiterer Kriegsvorbereitung nicht finanziert werden. Zu den Rahmenbedingungen gehört eine verkorkste Energiewende, die schon mit ÖL und Gas, mit Handelsbeziehungen zu Russland nicht funktionieren würde. Unter Kriegsverhältnissen, der Militarisierung der Gesellschaft, der Umverteilung vom zivilen in den militärischen Sektor, der Kappung von günstigen Rohstoffquellen, können Ökonomie und Zivilgesellschaft nur vor die Wand fahren. Die Kolleginnen von VW und von Thyssen-Krupp kämpfen den gleichen Kampf. Ohne Frieden und Handel mit Russland können sie ihn nur verlieren. Die IG Metall sollte mit Tausenden Kolleginnen und Kollegen, mit vielen Bussen von VW und Thyssen-Krupp zur großen bundesweiten Friedensdemo am 3. Oktober nach Berlin mobilisieren.
  • Leserbrief von Holger (15. September 2024 um 22:49 Uhr)
    Mal eine andere Frage: Warum wollen wir denn immer mehr Autos auf die Straße bekommen? Um Arbeitsplätze zu retten? Könnte es nicht sein, dass der Markt irgendwann mal gesättigt ist? Von den Staus auf unseren Straßen und Parkplatzproblemen will ich erst gar nicht reden …
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (15. September 2024 um 21:49 Uhr)
    Dass der deutsche Exportweltmeister mit seiner Nischenrolle »Premiumautomobil« auf dem Holzweg ist, pfeifen die Spatzen schon seit längerem von den Dächern. Nun fängt der Markt an, alles zu regeln und es ist auch wieder nicht recht. Dass der Individualverkehr mit seinen Stehzeugen am Ende ist, ist auch schon lange klar. Nur wahrhaben will es keine. Ob ein Objekt »Fahrzeug« oder besser »Stehzeug« genannt werden sollte, kann man daran messen: Das Objekt wird zweimal täglich 0,5 bis 1,0 Stunden für den Arbeitsweg bewegt, also steht es 23 bis 22 Stunden. Was kostet eine Fahrstunde (nicht in der Fahrschule)? Was kostet ein gefahrener Kilometer? Wer der Fahrzeugfinanzierer hat sich das schon (realistisch) ausgerechnet? Betriebswirtschaftliche Herangehensweise ist nicht jederfraus Sache, frau hat das Auto ja sowieso. Und das Zweit- oder Drittauto steht auch noch vor der Tür. Und jetzt zur Technik: Mein Opel Rekord mit 1,7 Litern Hubraum und sechzig Pferdestärken Maximalleitung verbrauchte 1967 im Mittel 9,5 Liter Benzin auf hundert Kilometer Fahrstrecke. Also konnten 35,3 PS pro Liter Hubraum erzeugt werden. Der Golf 8 1.0 TSI mit 110 PS, auch schon fünf Jahre alt, kommt auf die dreifache Literleistung und braucht laut ADAC 4,6 Liter Benzin auf hundert Kilometer. Braucht man das? Wäre es nicht sinnvoller, aus dreihundertfünfzig Kubikzentimetern 35 PS zu holen? Oder gleich mit Bus, Straßen- oder Eisenbahn fahren? Übrigens: Der Verschleiß der Straßenoberfläche geht mit der vierten Potenz der Achslast: Doppelte Achslast verursacht zweiunddreißigfachen Verschleiß. Wer interessiert sich schon für solche Kleinigkeiten und Wegekostendeckungsgrad und so?

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