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Aus: Ausgabe vom 16.09.2024, Seite 5 / Inland
Konzentrationsprozesse

Bankenturm wackelt

Italienische Unicredit hat Commerzbank im Visier. Verdi warnt vor Schwächung des Standorts
Von Klaus Fischer
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Kathedrale der Finanzwirtschaft steht auf tönernen Füßen (Frankfurt am Main, 12.9.2024)

Der Wirtschaftsstandort Deutschland befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Das spiegelt sich auch zunehmend im Bankensektor wider. Derzeit verdichten sich Gerüchte, dass die Unicredit, eines der zwei noch unter den Top ten der europäischen Bankenliga verbliebenen italienischen Geldhäuser, seinen Blick auf das zweitgrößte BRD-Kreditinstitut, die Commerzbank, gerichtet hat, berichtete dpa am Freitag. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnte bereits vor einer Schwächung des Bankenplatzes Deutschland. Doch der scheint ohnehin nicht mehr besonders stark zu sein.

Die Commerzbank ist neben der Deutschen Bank eines der zwei noch im Deutschen Aktienindex (Dax 40) gelisteten einheimischen Institute. Diesen Platz konnte das Unternehmen auch nur deshalb einnehmen, weil es im Zuge der Banken- und Finanzkrise 2007/2008 vom Staat vor der möglichen Pleite »gerettet« wurde. In diesem Jahr hatte der Bund begonnen, eine erste Tranche seines Aktienanteils an die Commerzbank zu verkaufen. Von diesem neunprozentigen Teil hatte Unicredit die Hälfte erworben und scheint nun auf mehr zu spekulieren.

Die Bundesregierung will auch die noch verbliebenen Anteile von rund 16,5 Prozent loswerden. Die Commerzbank sei erfolgreich stabilisiert worden, so der Kontext; jetzt wolle man diese Beteiligung sukzessiv reduzieren, hatte Florian Toncar, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Vorsitzender des zuständigen Lenkungsausschusses, Anfang September mitgeteilt.

Der Bund dürfe keine weiteren Commerzbank-Anteile abgeben, erklärte hingegen Verdi-Chef Frank Werneke. »Bis auf weiteres muss der Bundesanteil an der Commerzbank beibehalten werden, um eine Übernahme abzuwenden.« Finanzielle Entscheidungen spielten eine entscheidende Rolle zur Förderung der Wirtschaftsstruktur und zum Erhalt von Arbeitsplätzen. »Dies geht nur mit starken Banken im eigenen Land«, zeigte sich der Gewerkschaftsvorsitzende überzeugt.

Bundesbankchef Joachim Nagel hat sich mit Blick auf eine mögliche Übernahme durch Unicredit eher zurückhaltend geäußert, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag berichtete. Nagel verwies auf die Notwendigkeit eines robusten Bankenmarkts. Er kommentiere Marktentwicklungen mit Blick auf einzelne Akteure zwar nicht, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. »Aber klar ist: Wir benötigen starke und robuste Banken.« Bei einem Zusammenschluss komme es darauf an, dass sich die Geschäftsmodelle ergänzten und am Ende eine Bank entstehe, die wettbewerbsfähig sei. Die italienische Bank hatte sich bereits 2005 eines der großen BRD-Kreditinstitute, die Hypovereinsbank, einverleibt.

Die Bedeutung des Bankensektors für den gesamten Finanzmarkt ist in den zurückliegenden 20 Jahren durch das Erstarken großer Fondsgesellschaften und dem Aufkommen von Kryptowährungen wie dem Bitcoin zurückgegangen. Dennoch spielt er für die Unternehmens- und Verbraucherfinanzierung weiter eine starke Rolle. Allerdings rangieren die beiden letzten großen BRD-Kreditinstitute bereits europaweit auf hinteren Plätzen.

So befindet sich gemessen am Börsenwert nicht einmal die Deutsche Bank mehr unter den Top ten der europäischen Geldhäuser. Hier liegt die nach der Finanzkrise ebenfalls angeschlagene britische HSBC (ehemals als kolonialistisches Gebilde »Hongkong and Shanghai Banking Corporation« bekannt) mit einem Marktwert von rund 150 Milliarden Euro deutlich vorn. Die Schweiz ist nach der Fastpleite der Credit Suisse (CS) nur noch mit ihrer letzten Großbank UBS auf Platz zwei vertreten (die CS auf Befehl des Staates übernommen hatte). Auf den Plätzen folgen BNP Paribas (F), Banco Santander (Spanien) und die russische Sberbank. Die Unicredit liegt derzeit auf Platz acht.

Weltweit sieht das nochmals anders aus. Denn nicht nur der deutsche Bankensektor hat an Boden verloren, sondern auch der europäische. Global betrachtet dominieren fünf US-Geldhäuser mit J. P. Morgan Chase an der Spitze und vier chinesische Banken die Rangliste. Aus Europa ist hier einzig die HSBC auf Platz acht notiert.

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