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Aus: Ausgabe vom 16.09.2024, Seite 16 / Sport
Schach

Auf dem Fahrrad zum Sieg

Zur 45. FIDE-Schacholympiade in Budapest
Von Sören Bär
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Training vor der ersten Runde: Wesley So (l.) und Ray Robson (Budapest, 11.9.2024)

Vom 10. bis 23. September trifft sich die internationale Schachfamilie in Budapest zur 45. FIDE-Schacholympiade. Die Olympiade wird im zweijährigen Rhythmus ausgetragen und ist der bedeutendste Mannschaftswettbewerb auf den 64 Feldern. Die Olympiasieger werden in elf Runden in einem Open mit 197 Mannschaften und einem Frauenturnier mit 183 Teams ermittelt. Frauen sind im Schach nicht nur gleichberechtigt, sondern privilegiert, denn sie haben auch die Option, im Open mitzuspielen. Davon macht unter anderem Großmeisterin (WGM) Elvira Berend Gebrauch, die für Luxemburg neben ihrem Gatten, dem FIDE-Meister (FM) Fred Berend, am Brett sitzt. Die Länder duellieren sich an vier Brettern, wobei die Mannschaftspunkte (MP) entscheidend sind, die Brettpunkte zählen als zweite Wertung. Ein Sieg wird mit zwei MP honoriert, ein 2:2 mit einem. Jedes Team besteht aus fünf Akteuren – zu vier Stammkräften gesellt sich ein Ersatzbrett.

Die deutschen Männer rangieren nach vier Runden mit 6:2 Punkten auf Platz 20. Zwei Auftaktsiegen folgte eine Niederlage gegen Litauen, wozu auch der 19jährige Vincent Keymer durch eine Pleite am Topbrett gegen den gut 200 ELO leichteren Titas Stremavičius maßgeblich beitrug. Bei den deutschen Frauen überlässt die 39jährige Elisabeth Pähtz erstmals Dinara Wagner das Spitzenbrett, was Vermutungen zum Karriereende von Pähtz, der erfolgreichsten deutschen Schachspielerin aller Zeiten, schürt. Mit ebenfalls 6:2 Zählern nehmen die deutschen Frauen Rang 24 ein.

Der Weltranglistenerste Magnus Carlsen (Norwegen) startete in der dritten Runde und fuhr wegen des nicht funktionierenden Shuttle-Services mit einem geliehenen Fahrrad zum Turniersaal, den er so gerade noch rechtzeitig erreichte. Carlsen gewann seine Partie wie auch jene der vierten Runde und parkt mit den Norwegern aktuell auf Rang neun. Sensationellen Anstrich erhielt das 1,5:2,5 des Favoriten USA gegen die Ukraine. Der Sieg von Fabiano Caruana gegen Andrij Wolokitin an Brett eins reichte nicht, weil der 55jährige Wassil Iwantschuk mit einem kreativen Höhenflug Wesley So schlug und Anton Korobow über Ray Robson triumphierte, wohingegen Leinier Domínguez und Ruslan Ponomarjow remisierten.

Für eine Teilnahme an der Olympiade ist es nie zu spät. Dies gilt sowohl für die Frauenmannschaft aus Guernsey, welche sich erstmals beteiligt, als auch insbesondere für die 83jährige Pauline Woodward, die diesem Team als älteste Spielerin der Olympiade angehört. Zuvor hatte die kleine Kanal­insel im Ärmelkanal nie genug Spielerinnen zur Verfügung. Auch auf den 1502 von Vasco da Gama entdeckten Seychellen spielen nicht viele Menschen Schach. Doch durch den gebürtigen Potsdamer André Stratonowitsch erfuhr das königliche Spiel auf den 115 Inseln einen Popularitätsschub. Der 38jährige stieß nach dem Abschluss seines Studiums der Optometrie in Berlin auf die Ausschreibung einer Stelle auf der Hauptinsel Mahé und entschied sich für den Umzug – angesichts der stets bei über 22 Grad Celsius liegenden Temperaturen kein trauriges Schicksal. Stratonowitsch avancierte am zweiten Brett bei der Schacholympiade 2018 in Batumi (Georgien) mit 9,5/11 zum erfolgreichsten Spieler und erhielt dafür den FM-Titel, der sonst erst bei Erreichen einer ELO von 2.300 verliehen wird. Zum Auftakt rang der aktuell mit 2.142 gewertete Stratonowitsch nun dem mit einer ELO von 2.503 deutlich stärker eingestuften Bojan Maksimovic aus Bosnien-Herzegowina nach 40 Zügen ein Remis ab.

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Der Kulminationspunkt: Xavier Mompel Ferruz opfert mit 23...axb4! gewinnbringend die Qualität

Zu Beginn schlägt traditionell die »Stunde der Kleinen«, denn es treffen in puncto Spielstärke und Geographie weit voneinander entfernte Teams aufeinander – für einen Underdog die Chance seines Lebens, gegen einen Topspieler anzutreten. Am Spitzenbrett der Erstrundenbegegnung Island – Äquatorialguinea fiel der 36jährige GM Guðmundur Kjartansson gegen den erst 14jährigen FM Xavier Mompel Ferruz auf einen hübschen Trick herein. Die Digitalisierung hat zur Ubiquität des Schachwissens geführt, das mittlerweile in Form von Datenbanken und E-Books auch in Ländern ohne Schachtradition verfügbar ist.

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Guðmundur Kjartansson – Xavier Mompel Ferruz, 45. FIDE-Schacholympiade 2024, Budapest; Island – Äquatorialguinea, Runde eins, Brett eins, 11. September 2024, Modernes Benoni im Anzug

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