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Aus: Ausgabe vom 17.09.2024, Seite 7 / Ausland
USA

Haitianer in Angst

USA: Nach Hetze durch republikanische Führung bangen Einwanderer in Springfield um ihr Leben
Von Alex Favalli
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Gemeinsam stark: Gottesdienst zur Unterstützung der haitianischen Gemeinde in Springfield am Sonntag

Der Rassismus wütet in Springfield, Ohio. Seitdem Donald Trump in der TV-Debatte mit Kamala Harris am vergangenen Dienstag die Lüge verbreitete, dass haitianische Migranten in der Stadt die Haustiere der Einheimischen essen würden, herrscht dort der Ausnahmezustand. Die falschen Behauptungen führten Ende der Woche zu mehreren Bombendrohungen; Schulen und Verwaltungsgebäude blieben zunächst für zwei Tage geschlossen. »Alle betroffenen Gebäude wurden als Vorsichtsmaßnahme evakuiert«, erklärte Stadtsprecherin Karen Graves. »Die Behörden haben mit Hilfe von Sprengstoffspürhunden Inspektionen durchgeführt und die in den Drohungen aufgeführten Einrichtungen geräumt.«

Gleichzeitig wiesen Polizei, Behörden und der Gouverneur von Ohio die Behauptungen, die über die haitianische Gemeinschaft kursieren, zurück. Trump soll die Geschichte wohl von Fox News aufgegriffen haben: »Ich habe Leute im Fernsehen gesehen«, sagte er bei der Debatte, »die Leute im Fernsehen sagen ›mein Hund wurde entführt und zum Essen verwendet‹.« Übertroffen wurde er noch von seinem Vize James D. Vance, der auf X schrieb: »Lassen Sie sich von den Heulsusen in den Medien nicht beirren, liebe Mitpatrioten. Lasst die Katzen-Memes fließen.« Außerdem behauptete er, dass es in Springfield aufgrund des Zustroms haitianischer Einwanderer zu einem »sehr hohen Anstieg übertragbarer Krankheiten« gekommen sei. Und er bleibt dabei: In einer Reihe von Interviews sagte er am Sonntag unter anderem, dass Wähler in Springfield ihm ihre Sorgen vortrügen und dass mindestens zehn davon »nachprüfbar« seien. Wütend seien er und seine Mitstreiter allerdings nicht »auf haitianische Migranten, die ein besseres Leben wollen. Wir sind wütend auf Kamala Harris, weil sie zulässt, dass dies in einer kleinen Stadt in Ohio geschieht.« Gefragt danach, ob er wisse, dass die Behauptungen falsch seien, erklärte Vance: »Wenn ich Geschichten erfinden muss, damit die amerikanischen Medien dem Leiden des amerikanischen Volkes Aufmerksamkeit schenken, dann werde ich das tun.«

Die zu Unrecht Beschuldigten sind jedoch mit einer ernsten Situation konfrontiert. Denn viele haitianische Einwohner leben jetzt in einer »Atmosphäre der Angst«, wie sie der Haitian Times erzählten. Familien fühlten sich unsicher, da es neben den Bombendrohungen auch zu Online-Mobbing, Einschüchterung und körperlicher Belästigung gekommen sei. »Die Menschen haben große Angst um ihr Leben«, sagte S. P., eine in Ohio lebende Haitianerin, die aus Angst um ihre Sicherheit anonym bleiben möchte. »Viele Familien denken nach der letzten Nacht daran, Springfield zu verlassen, und einige Kinder gehen nicht einmal zur Schule, weil sie Angst haben, angegriffen zu werden.«

In den vergangenen vier Jahren haben sich offiziellen Berichten zufolge rund 20.000 Haitianer in Springfield niedergelassen. Industriezweige, die früher mit Arbeitskräftemangel zu kämpfen hatten, haben die haitianischen Arbeitskräfte willkommen geheißen. Jake McGregor, der ein Metallwerk betreibt, fasste es im August gegenüber dem Portal NPR so zusammen: Nach der Pandemie habe die Wirtschaft gebrummt und man sei mit der Bedienung der Nachfrage nicht hinterhergekommen. »Tatsache ist, dass wir ohne die haitianischen Mitarbeiter Schwierigkeiten hatten, diese Stellen zu besetzen.« Im Wahlkampf erhielt der latente Rassismus dann einen Auftrieb. Seit Ende Juni hätten Menschen laut dem US-Sender NBC in lokalen Facebook-Gruppen über haitianische Kinder gepostet, die Enten und Gänse jagen würden. Etwa zur gleichen Zeit bezeichneten konservative Medien Springfield als »überschwemmt« mit haitianischen Einwanderern. Im August gab es dann eine antihaitianische Demonstration während eines Musikfestivals.

Springfield wurde bereits 2012 vom Globe and Mail als »die unglücklichste Stadt« der Vereinigten Staaten gebrandmarkt. Die 60.000-Einwohner-Stadt liegt mitten im »Rust Belt«, einer Region im Nordosten des Landes, die extrem von der Deindustrialisierung betroffen ist. Jake Johnston, Autor von »Aid State« und Haiti-Experte, schrieb vergangene Woche auf X: »Der Prozess, durch den Springfield, Ohio, von einer Boomstadt der Produktion zu einer Geisterstadt wurde, und der Prozess, durch den Haitianer von ihrem Land vertrieben wurden und gezwungen waren, aus dem Land zu fliehen … nun, es ist derselbe verdammte Prozess.«

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