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Aus: Ausgabe vom 17.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Klimaklassenkampf

Extreme Niederschläge
Von Wolfgang Pomrehn
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Die extremen Niederschläge werden intensiver und häufiger (Hochwasser in Nigeria, 15.9.2024)

Immer wieder kann man sich in den letzten Jahren fragen, was in diesem Land noch geschehen muss, bis endlich ernsthafte Klimaschutzpolitik betrieben wird: Ein Jahrhunderthochwasser im Rheinland, bei dem die Behörden nicht in der Lage sind, trotz aller Informationen der Wetterdienste ausreichend zu warnen, so dass mehr als 180 Menschen starben, eine Jahrhundertsturmflut an der Ostsee im letzten Herbst, schwere Überschwemmungen in der Weihnachtszeit im Nordwesten, dann in weiten Teilen Süddeutschlands extreme sommerliche Niederschläge und jetzt schon wieder großflächige Überschwemmungen an Donau, Elbe, Oder und Neiße. Die Nachbarländer sind noch viel härter betroffen. In Polen ist eine Staumauer gebrochen; in der Slowakei ist von einem Jahrtausendereignis die Rede; der hochwassererfahrene Bürgermeister der Landeshauptstadt Niederösterreichs, St. Pölten, gibt an, derlei noch nie erlebt zu haben. Von mehreren Todesopfern ist bisher die Rede.

Anderswo sieht es noch schlimmer aus. Mali, Nigeria und Niger werden seit Wochen von den seit Jahren schlimmsten Niederschlägen heimgesucht. Ernten und Häuser werden zerstört, und mindestens 460 Menschen sind bereits im Hochwasser ertrunken. Und nein: Derlei hat es nicht schon immer gegeben. Die extremen Niederschläge werden intensiver und häufiger, und die Physik dahinter ist denkbar simpel: Wärmeres Wasser bedeutet mehr Verdunstung, und wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Für jedes Grad Erwärmung sieben Prozent mehr.

Aber wieso passiert trotz alledem immer noch so wenig in Sachen Klimaschutz? Die nüchterne Tatsache ist, dass Klassenkampf herrscht. Klimaklassenkampf. Solange sich mit fossilen Brennstoffen, Autos und ähnlichem noch gute Gewinne machen lassen, interessieren die Opfer die Mächtigen nicht. Denn es trifft immer zuerst und am härtesten die schwächsten und ärmsten Teile der Bevölkerung. Wer Geld hat, kann sich rechtzeitig in Sicherheit bringen und die Verwüstungen leichter verkraften. Wer ohnehin schon wenig hat, kann ohne fremde Hilfe kaum die Wohnung und gegebenenfalls das eigene Haus wieder in Ordnung bringen. Wer im Alltag auf fremde Hilfe angewiesen ist, kommt in den Fluten um, wenn Behörden nicht rechtzeitig warnen und Hilfsorganisationen nicht vorbereitet sind. Dies passierte zum Beispiel am 15. Juli 2021 zwölf Menschen mit Einschränkungen in einem Wohnheim der »Lebenshilfe Kreisvereinigung Ahrweiler«, weil sie trotz frühzeitiger Warnungen der Wetterdienste nicht rechtzeitig evakuiert worden waren und auch in der Flutnacht auf sich allein gestellt blieben. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, müssen eben die Gefahren kleingeredet, Vorsorge ignoriert und Katastrophenschutz auf Sparflamme gehalten werden. Kostet ja ohnehin nur, ohne Gewinn abzuwerfen. Lieber werden die Steuergelder in Kriegsvorbereitungen investiert.

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  • Leserbrief von Joel K. (17. September 2024 um 16:45 Uhr)
    Die Klimalüge der Grünen ist, dass die von der Industriegesellschaft verursachte Klimaerwärmung durch Marktmechanismen kontrolliert werden könne. Der Markt ist aber nur an Profit interessiert. An Krisen verdienen seine einflussreichsten Player. Eine sozialistische Klimapolitik ist nötig, in der die Kapitalisten enteignet sind oder in der sie wenigstens vollständig die Energiewende und Anpassung an den Klimawandel zahlen. Die Mär vom ökologischen Fußabdruck des einzelnen Konsumenten zerbricht an der Realität des Warenangebots, das viel zu selten klimaneutral und nachhaltig ist. Jeder Mensch bräuchte außerdem einen eigenen Garten, um kostengünstig und gesund einen Teil des Eigenbedarfs zu decken. Lokale Datenpunkte können keinen eindeutigen globalen Trend begründen oder widerlegen. Das gesamte Erdsystem nimmt erwiesenermaßen netto Energie auf, und zwar durch Treibhausgase in der Atmosphäre und – ironischerweise – durch seit den 1980ern verringerte Luftverschmutzung. Wir leben über unsere Verhältnisse. Indem wir unseren Lebensstandard bewahren wollen, setzen wir unsere imperialistische Nutznießerschaft am globalen Süden fort. Wir müssen weniger konsumieren und einfacher leben, auch zugunsten des globalen Südens. Alles andere ist Sozialchauvinismus, also das Hüten nationaler Privilegien, die auf der Ausbeutung von Menschen und Natur in anderen Ländern beruhen. Dort könnte der Bevölkerungsdruck durch Umsetzung der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen sinken und ein auskömmliches und nachhaltiges Leben möglich werden. Stromerzeugung und Speicherung leiden an zu wenig Forschung, Verweigerungshaltung am Markt, dezentralen Lösungen, aber auch Angst vor Sonnenstrom aus Afrika und Windstrom aus der Arktis. Auch an Stromerzeugung durch Fusion, Transmutation und Thorium wurde viel zu wenig geforscht. China setzt inzwischen zumindest auf letztere. Schlechter ÖPNV und kerosinsteuerbefreites Fliegen sind auch keine Hilfe.
  • Leserbrief von Dr. Kai Merkel aus Wuppertal (17. September 2024 um 11:22 Uhr)
    Ist nicht schon der »Kampf« gegen den Klimawandel mit Preisen, wie es die Grünen tun, ein verlogener Ansatz? Wer es sich leisten kann, bezahlt einfach mehr dafür, und verschmutzt das Klima einfach dreist weiter. Frist schön weiter Demeter-Steak und fährt mit seinem 150.000 Euro teuren Elektro-Porsche zum Alnatura. Im Winter geht es dann per Langstrecke nach Asien. Ist ja nicht schlimm, man kann ja einfach mehr bezahlen, schon ist der Flug auf dem Papier »CO2-neutral«. (Lol!) Wer arm ist, zahlt dann schön die Zeche und kann aufgrund fehlender bezahlbarer Alternativen eh nicht auf »Klimaschutz« umsteigen. Zukünftig subventioniert der arme Dieselfahrer per Umverteilung die steuerliche Abschreibung von 100.000 Euro teuren Luxusdienstwagen für die Führungsetage. Der normale Bürger bekommt nichts mehr für Elektromobilität. So etwas kommt dabei heraus, wenn die FDP zusammen mit den Grünen regiert.
  • Leserbrief von Michael Wallaschek aus Halle (Saale) (16. September 2024 um 23:01 Uhr)
    Die Folgen des Profitsystems treffen die Ärmsten und Schwächsten am stärksten, nur darf man – nun schon aus der täglichen Erfahrung – Zweifel hegen, dass die in Planung stehenden »alternativen« Energie- und sonstigen Großindustrien weniger Folgeschäden hinterlassen als die »fossilen«, vielleicht aber andere. Man kann dem Autor glauben, dass es derlei Hochwässer und Dürren »nicht schon immer gegeben« hat, oder man kann Auswertungen von Chroniken aus der Zeit vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit lesen, wie sie etwa die Herren C. Lehmann, I. K. H. Börner und F. S. Bock für das Erzgebirge, Schlesien und Ostpreußen zusammengestellt haben. Man wird feststellen, dass solche Überschwemmungen und andere »Extrem«-Ereignisse in diesen Landschaften schon seinerzeit in verheerendem Ausmaß, im Abstand weniger Jahre und regional verteilt, also nicht gleichzeitig überall aufgetreten sind, wie es auch im Artikel beschrieben worden ist. Um noch ein einziges, in Bezug auf die Verbreitung des Hochwassers konträres Faktum aufzuführen: der Pegelstand des Magdalenen-Hochwassers vom Juli 1342, das ganz Mitteleuropa betroffen hat, ist m. W. seither nirgendwo in diesem Raum und bei weitem nicht wieder erreicht worden. Über die Schäden dieser »alten« Hochwasser- und anderer »Extrem«-Ereignisse, darunter mehrjährige Dürren, an Menschenleben, am Gebäude-, Vieh-, Wild- und Fischbestand kann man sich in den genannten Quellen informieren. Starke Schäden heutiger Hochwässer in Mitteleuropa sind in erster Linie die Folgen von Moorvernichtung, Entwaldung, Flussbegradigung, Bebauung der natürlichen Überschwemmungsräume und Behördenversagen; Klimawandel dürfte lediglich verstärkend wirken, die ersten vier entscheidenden Ursachen kritisiert der Autor jedoch nicht. Es ist verwunderlich, dass der Verfasser die «Investition» von Steuergeldern in Kriegsvorbereitung kritisiert – hat er nicht vor einiger Zeit in der jW die CO2-Emissionen des Militärs als von eher geringerer Bedeutung bewertet?

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