Arbeiterkampf bei Audi
Von Gerrit HoekmanUnter dem Motto »Die Industrie gehört uns!« demonstrierten nach Polizeiangaben etwa 5.500 Werktätige am Montag in Brüssel ihre Solidarität mit der Belegschaft von Audi im Werk in Vorst. Die Fabrik ist im kommenden Jahr von der Schließung bedroht. Alle 3.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel und noch einmal mehrere tausend bei den Zulieferbetrieben. Vorst ist laut Gewerkschaften aber nur die Spitze des Eisbergs: In Belgien seien überall in der Industrie Tausende Arbeitsplätze in Gefahr oder in diesem Jahr schon vernichtet worden. Eine Hauptschuldige sei die EU mit ihrer Kürzungspolitik.
Der Mutterkonzern Volkswagen hatte Anfang September mitgeteilt, dass für Vorst kein Nachfolgemodell vorgesehen ist, wenn die Produktion des »Audi Q8 E-tron« Ende nächsten Jahres ausläuft. Es ist das einzige Modell, das in Vorst hergestellt wird. Das bedeutet: Falls sich kein neuer Investor findet, etwa aus China, wird das Werk dichtgemacht. Arbeiter traten daraufhin in den Streik, und ihre Gewerkschaften »beschlagnahmten« 303 Autoschlüssel, um die Auslieferung der Fahrzeuge an die Händler zu verhindern. Die Kapitalseite antwortete mit der Aussperrung und kündigte an, keinen Lohn zu zahlen.
Kompromisssuche
Am vergangenen Freitag nahmen die Gewerkschaften und die Direktion von Audi Brussels fürs erste Druck aus dem Kessel. Die Streikenden wollen wieder zur Arbeit erscheinen. »Ab Dienstag starten wir in der Karosserie- und Lackierabteilung und liefern wieder Autos an unsere Händler aus. Ab Mittwoch wird die Produktion in allen Abteilungen wieder aufgenommen«, teilte die Direktion der Nachrichtenagentur Belga zufolge am Freitag mit. Die normale Kapazität von zwölf Autos am Tag soll aber erst in einigen Wochen erreicht werden. Audi Brussels versprach, dass die Leute das Gehalt für die vergangene Woche nun doch bekommen. Das war eine Bedingung der Gewerkschaften.
»Wir gehen davon aus, dass 75 Prozent der Werktätigen freiwillig wieder beginnen. Danach wird die Zahl noch zunehmen, da bin ich sicher«, teilte Jan Baetens von der christlichen Gewerkschaft ACV laut dem flämischen Sender VRT Nws am Freitag mit. Es sei für beide Seiten ein guter Kompromiss, »der den Menschen vor Ort und den Verhandlungen über die Zukunft der Fabrik neuen Schwung geben soll, damit wir die nächsten Schritte unternehmen können«, zitierte Belga Gewerkschafter Baetens.
Wie es mit der Fabrik langfristig weitergeht, sei bei den Verhandlungen am Donnerstag noch kein Thema gewesen, so die christliche Gewerkschaft ACV. »Auch diese Gespräche werden am Dienstag wieder aufgenommen«, sagte Gewerkschaftsfunktionär Baetens VRT Nws zufolge. Nach Angaben der sozialistischen Gewerkschaft ABVV hat Audi Brussels versprochen, bis zum Jahresende niemanden zu entlassen. Bis jetzt war davon die Rede, dass die Hälfte der 3.000 Beschäftigten bereits im Oktober vor die Tür gesetzt werden. »Auf Basis der aktuellen Produktionsplanung sieht es zwar ganz gut aus. Allerdings wird die Planung monatlich überarbeitet«, wollte sich der Sprecher von Audi Brussels laut VRT Nws allerdings nicht festlegen.
Landesweit Insolvenzen
Am Donnerstag forderten die Kapitalverbände Agoria (Technik), Essenscia (Chemie), Fesdustria (Textil, Holz und Möbel), Fevia (Nahrungsmittel) und Indufed (Papier und Glas) die Gewerkschaften auf, die landesweite Demonstration abzusagen, meldete Belga. Keine Woche vergehe inzwischen ohne schlechte Nachrichten über Insolvenzen und Entlassungen bei kleinen und großen Unternehmen, so die Bosse. »Die nationale Demonstration sendet ein negatives Signal, genau dann, wenn wir ein positives Signal brauchen. Gerade dann, wenn wir durch den harten globalen Wettbewerb unter enormem Druck stehen.« Mit einem Streiktag für einen wirtschaftlichen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe zu sorgen, sei ein Schuss ins eigene Knie. »In dem Sturm, in dem wir uns gerade befinden, heißt es, alle Mann an Deck.« Die Kundgebung am Montag bewies jedoch eindrucksvoll: Die Werktätigen wollen nicht auf dem Seelenverkäufer der Unternehmer segeln, auf dem, wie bei Audi Brussels, die Offiziere als erste in die Rettungsboote steigen und die Matrosen ihrem Schicksal überlassen werden.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 12.09.2024
Audi hat die Schlüssel wieder
- 28.08.2024
Zwangsurlaub bei Audi
- 12.07.2024
Audi schließt Werk in Brüssel
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Südpolen unter Wasser
vom 17.09.2024 -
»Die Regierungen lassen uns seit Jahren im Stich«
vom 17.09.2024