World Wild West
Von Nick BraunsUncle Sam bläst zur Agentenjagd. Diesmal geht es gegen Mitarbeiter tatsächlicher und vermeintlicher russischer Staatsmedien. Denen wirft die in solchen Angelegenheiten keineswegs unbescholtene US-Regierung weltweite, verdeckte Einflussnahme vor. Ins Fadenkreuz geraten ist dabei auch das von Berlin aus operierende linke Medienkollektiv Red Media. Dessen Youtube-Kanal wurde am Montag durch den Google-Konzern abgeschaltet. Auch Meta verbannte das Medium aus seinen Apps wie Facebook und Instagram. Der russische Auslandssender RT und andere verwandte Organisationen – gemeint ist wohl unter anderem Red Media – seien nun »wegen ausländischer Einmischungsaktivitäten« weltweit von den Anwendungen des Konzerns ausgeschlossen, so der Meta-Konzern gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Die Videoplattform Red Media, mit der junge Welt mehrfach kooperiert hat, berichtet von sozialen Protesten und antiimperialistischen Kämpfen in aller Welt. Sie zeigt Polizeigewalt auf und enthüllt faschistische Aktivitäten. Reichweite hat sich die Plattform mit Hunderttausenden Followern in den vergangenen Monaten insbesondere durch ihre Berichte von Solidaritätsdemonstrationen mit Palästina geschaffen.
Die Zensurmaßnahmen der Social-Media-Konzerne erfolgten, nachdem US-Außenminister Antony Blinken am Freitag den Sender RT beschuldigt hatte, »vollwertiges Mitglied des Nachrichtendienstes« Russlands zu sein. Anschließend benannte Blinken Red Media als angeblich verdeckt von RT betriebenes Medium. Dabei bezog sich der US-Minister ausdrücklich auf Behauptungen des Berliner Tagesspiegel, wonach die Videoplattform »an der Organisation von Protesten in Deutschland teilgenommen« habe. Das wegen seiner Polizeinähe in linken Berliner Kreisen »Tagesspitzel« titulierte Blatt hatte nach der Besetzung der Humboldt-Universität durch Palästinaaktivisten im Juni beklagt, dass Red Media »offenbar Hand in Hand mit der propalästinensischen Szene der Hauptstadt arbeitet«. Schließlich hätten dessen Journalisten als erste aus dem besetzten Institut berichtet und seien offenbar vorab informiert gewesen. Weiterhin unterstellte die Zeitung der von einer Aktiengesellschaft in der Türkei betriebenen und nach eigenen Angaben spendenfinanzierten Medienplattform »Verbindungen nach Moskau«. So gingen nicht näher bezeichnete »deutsche Sicherheitskreise« laut Tagesspiegel davon aus, dass Red Media Nachfolgerin des 2023 in Folge von EU-Sanktionen abgewickelten Mediums Redfish sei, das mit der staatlichen russischen Agentur Ruptly verbunden war. Diese unbewiesenen Behauptungen wurden nun eins zu eins von der US-Regierung übernommen.
Da deren Vorwurf nicht mehr nur auf »Desinformation«, sondern auch auf Agententätigkeit laute, befürchten die Mitarbeiter des linken Medienkollektivs nun Repression auch in Deutschland. Hier solle eine Stimme zum Schweigen gebracht werden, die die Mitschuld des deutschen Staates und der deutschen Medien am Völkermord in Palästina sowie das brutale Vorgehen gegen propalästinensische Stimmen thematisiert, so Red-Media-Gründer Hüseyin Doğru am Dienstag gegenüber jW. Mitverantwortlich sei der Tagesspiegel. »Sie haben das Gewehr mit falschen Anschuldigungen geladen und Blinken hat uns ins Visier genommen. Jetzt warten wir darauf, dass die deutsche Regierung den Abzug betätigt – natürlich alles im Namen des Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit.«
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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Umfeld aus Angst und Schweigen
Vom russischen Revolutionär und Wirtschaftstheoretiker Nikolai Bucharin stammt der Satz: »Die Demokratie ist die Staatsform des Bürgertums, wenn es keine Angst hat, Faschismus, wenn es Angst hat.«
Ich will gleich klarstellen, dass es weder in den USA noch in Europa oder sonstwo einen Faschismus an der Macht gibt. Es ist wichtig dies zu betonen, weil eben dieses »Bürgertum« das Wort Faschismus in seinen Grundwortschatz einverleibt hat. Das wurde in gezielter Absicht vorgenommen, um (nur) die AfD als Nazis und Faschisten zu bezeichnen. Mit dieser Stigmatisierung war sie bisher einigermaßen erfolgreich, und dies gleich in doppelter Hinsicht. Denn hinter diesem Versuch, die Bevölkerung stramm auszurichten, wird nahezu geräuschlos ein autoritärer Umbau des Staats vorangetrieben. Die Innenministerin fährt in den Spurrillen des Gesetzes von 1933 zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Dem Gesetz folgend konnten Beamte, die in oppositionellen Parteien tätig waren oder mit ihnen sympathisiert hatten, entlassen werden. Frau Faesers Treiben steht außerdem sowohl in einem nationalen wie auch im transatlantischen Kontext. Es geht nicht nur um die Befriedigung ukrainischer Waffenhilfe, es geht auch nicht nur um die Kriegsertüchtigung einer wehrbereiten Bevölkerung. Die ausufernden Restriktionen gegen oppositionelle Medien werden, so Themba Godi, ehemaliges Mitglied der südafrikanischen Nationalversammlung, »von der Angst vor einem Wettbewerb in der multipolaren Welt angetrieben«. Um diese zu überwinden, werden andere Sichtweisen mit der Machete als Joker benutztem Schlagwort »Desinformation« erschlagen. Durch dick und dünn, wie Reinhard Lauterbach in seinem Kommentar, jW. 18. Sept., schreibt.