Starmer auf Ideenklau in Rom
Von Gerhard FeldbauerDas Thema des Besuchs war klar und unverhohlen: Wie entledigt man sich unliebsamen Einwanderern? Am Montag besuchte der neue britische Premierminister, Keir Starmer, seine Amtskollegin Giorgia Meloni in Rom. Dass sich der Politiker der Labour-Partei bestens mit der italienischen Faschistin verstand, meldete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA: Die Gespräche hätten ergeben, dass die »äußerst solide Zusammenarbeit« von Meloni mit »ihrem Freund« Rishi Sunak weitergeführt und diese nicht von unterschiedlichen Haltungen zum Einsatz westlicher Waffen durch Kiew beeinträchtigt würden.
Starmer kam nach eigenen Angaben nach Rom, um das italienische Modell der Abschottung zu studieren. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz lobte der Brite, Meloni habe »bemerkenswerte Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit Ländern entlang der Migrationsrouten erzielt«, indem sie »die Ursachen der Migration an der Wurzel gepackt« habe und »gegen die Schlepperbanden vorgegangen« sei. Infolgedessen seien »die irregulären Einreisen nach Italien auf dem Seeweg seit 2022 um 60 Prozent zurückgegangen«.
Besonderes Interesse zeigte Starmer an den »Albanien-Plänen« der italienischen Rechtsregierung. Ein von Meloni im November vergangenen Jahres mit Tirana geschlossenes Abkommen sieht vor, in dem südosteuropäischen Land ein Aufnahmelager sowie ein Abschiebezentrum für Asylsuchende zu errichten. Beide Einrichtungen sollten bis August in Betrieb genommen werden und bis zu 3.000 Asylantragsteller pro Monat aufnehmen, während Italien die Asylanträge im Schnellverfahren bearbeitet. Die Pläne sind jedoch etwas in Verzug geraten. Gemeinsam mit Innenminister Matteo Piantedosi besuchte der britische Sozialdemokrat auch das Nationale Koordinationszentrum für Migration in Rom. Begleitet wurde er dabei von Martin Hewitt, dem Leiter der von der Labour-Regierung eingerichteten Taskforce zur sogenannten Bekämpfung der illegalen Landungen an der Küste des Vereinigten Königreichs.
Bereits vor Reiseantritt hatte Starmer erklärt, seine Regierung werde »gegen die Menschenhändlerbanden, die das Leben von Männern, Frauen und Kindern verkaufen« entschieden vorgehen. Von Mitgliedern seiner Parlamentsmehrheit und Nichtregierungsorganisationen wurde er deshalb kritisiert. Sie befürchten außerdem, dass er die »illegalen Einwanderungspläne der extremen italienischen Rechten« kopieren wolle, so der Guardian. Starmer hatte zwar das Vorhaben seiner Vorgängerregierung verworfen, Menschen nach Ruanda abzuschieben, führt jedoch deren restriktive Migrationspolitik fort.
Der Staatsbesuch in Rom erfolgte nur drei Tage nach der Eröffnung eines Prozesses in Palermo, in dem der Staatsanwalt gegen den früheren Innenminister und jetzigen Infrastrukturminister sowie Vizepremier Matteo Salvini eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert hat. Es geht dabei um dessen Weigerung, im Jahr 2019 dem privaten Rettungsschiff »Open Arms« mit über 150 im Mittelmeer aus Seenot geretteten Flüchtlingen wochenlang das Einlaufen in einen italienischen Hafen zu erlauben. Für Meloni könnte die Visite Starmers eine willkommene Gelegenheit gewesen sein, ihrer Haltung Nachdruck zu verleihen und eine Verurteilung zu verhindern. Sie hat das Verhalten Salvinis in der Angelegenheit bisher immer entschieden verteidigt. Es sei »unglaublich«, einem Minister eine solche Strafe anzudrohen, nur weil er seine Aufgabe, »die Grenzen der Nation zu verteidigen« wahrgenommen habe, so die Regierungschefin.
Der Prozess, der voraussichtlich im kommenden Monat zu Ende geht, hat sich zu einer Machtprobe zwischen ihr und der Justiz entwickelt. Die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Elena Schlein, beschuldigte Meloni, den Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Regierung und Justiz zu missachten. Auch Italiens Verband der Richter und Staatsanwälte hat bereits einen »unzulässigem Druck« auf die Justiz angeprangert.
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