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Aus: Ausgabe vom 18.09.2024, Seite 12 / Thema
Sri Lanka

Am Gängelband der Gläubiger

Sri Lanka wählt am 21. September einen neuen Präsidenten. Es ist die erste Wahl seit der großen Wirtschaftskrise und der durch Massenproteste erfolgten Absetzung des alten Staatschefs 2022
Von Thomas Berger
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Gleichmut vor der Wahl? An einem Imbissstand in Colombo werben Plakate für den linken Präsidentschaftskandidaten Anura Kumara Dissanayake (16.9.2024)

Wird erstmals ein ausgewiesener Linker zum neuen Präsidenten Sri Lankas? Die jüngsten Umfragen vermitteln ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden führenden Kandidaten in dem südasiatischen Inselstaat mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern. Möglich ist damit weiterhin, dass der zwischenzeitlich schon als Favorit gehandelte Anura Kumara Dissanayake von der linken Allianz National People’s Power (NPP) als Sieger aus dem ersten Wahlgang seit der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2022 hervorgeht. Damals war Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa Mitte Juli nach wochenlangen Massenprotesten in der Hauptstadt Colombo gestürzt worden. Der vom Parlament als Nachfolger eingesetzte Ranil Wickremesinghe, zuvor bereits sechsmal Regierungschef, war schon seinerzeit nicht gerade derjenige, den sich die Protestierenden als Alternative und Verkörperung eines Neubeginns vorgestellt hatten. Überzeugenden Rückhalt fand er in seinen zwei Jahren Amtszeit nie. Dennoch ist er nun einer der 38 Bewerber für das Spitzenamt – ein historischer Rekordwert – und konnte in den jüngsten Umfragen an Zuspruch zulegen.

Aufholjagd

Die NPP stellt derzeit nur drei Abgeordnete im 225köpfigen Parlament. Doch das Bündnis, in dem Dissayanakes »Volksbefreiungsfront« (­Janatha Vimukthi Peramuna/JVP) tonangebend ist und zu dem 27 linke Parteien, Frauenrechtsorganisationen und Gewerkschaftsverbände gehören, ist inzwischen eine landesweit relevante politische Kraft mit stetig wachsender Bedeutung. Das gewachsene Ansehen der Linksallianz hat mehrere Gründe. Zum einen tritt die marxistisch-leninistische JVP, die 1971 und 1989 bewaffnete Aufstände gegen den Staat anführte, inzwischen deutlich gemäßigter auf und bekennt sich grundlegend zum parlamentarischen System. Zum anderen ist da das persönliche Charisma des Kandidaten, der insbesondere unter jüngeren Wählerinnen und Wählern sehr beliebt ist. Dissanayake tritt eher als linker Sozialdemokrat in Erscheinung. Zugleich hält die JVP als Teil der buntscheckigen NPP an Forderungen nach umfassenden sozialen Umgestaltungen fest. Nahezu als einzige Kraft kann sie das Versprechen, nachhaltig gegen Machtmissbrauch, Günstlingswirtschaft und Korruption vorzugehen, tatsächlich überzeugend verkörpern. In mehreren Regionen ist sie auf Provinzebene schon deutlich stärker verankert, als die derzeit geringe parlamentarische Präsenz vermuten ließe. Auch im Wahlkampf war sie zuletzt in etlichen Gebieten aktiv, in denen sie zuvor keine nennenswerte Basis hatte.

Etwa 17 Millionen Menschen dürfen am 21. September ihre Stimme abgeben – und so erstmals seit 2019 wieder einen Staatschef küren, der seine Legitimität unmittelbar vom Volk bezieht, statt nur von einer parlamentarischen Mehrheit eingesetzt worden zu sein. Denn der seit etwas mehr als zwei Jahren nur für die Restlaufzeit der ablaufenden Legislaturperiode amtierende Wickremesinghe war nur eine Verlegenheitslösung in einer Notlage, als die meisten Abgeordneten nach Gotabayas Abdankung und seiner vorübergehenden Flucht ins Ausland in Folge der Erstürmung seiner Residenz den damaligen Premier zum neuen Präsidenten »beförderten«. Schon damals erschien Wickremesinghe mangels eindeutiger Alternative als kleineres Übel. Manche mochten zudem – was sich als Irrtum herausstellte – gehofft haben, der ohne eigene parlamentarische Machtbasis dastehende Wickremesinghe würde im Interesse gewisser Gruppen ein »schwacher« Präsident werden. Sie mochten dabei gravierend unterschätzt haben, wie gut sich der seit mehr als 45 Jahren auf nationaler Ebene politisch tätige Neffe eines früheren Präsidenten (Junius Richard Jayewardene, 1978–1989) an diese Situation anzupassen vermochte. Er würde jetzt nur zu gern regulär noch fünf Jahre weitermachen.

Aber seit längerem rangiert der Amtsinhaber nur abgeschlagen auf dem dritten Platz in den Umfragen. Zweiter ist der gegenwärtige Oppositionsführer Sajith Premadasa. Premadasa war einst Vize von Ranil Wickremesinghe in der damals noch ungeteilten United National Party (UNP) – der über Jahrzehnte im rechtsbürgerlichen Spektrum dominanten Partei –, die sich aber vor der Präsidentenwahl 2019 gespalten hatte. Premadasa unterlag seinerzeit zwar dem siegreichen Gotabaya Rajapaksa, seine ebenfalls konservativ-neoliberale Samagi Jana Belawegaya (SJB) wurde aber bei den folgenden Parlamentswahlen 2020 zur zweitstärksten Kraft. Im Juni konnte Premadasa in den Umfragen kurzzeitig am NPP-Kandidaten Dissanayake vorbeiziehen, im Juli lag letzterer aber wieder minimal vorn. Hatte der linke Bewerber zu Jahresbeginn sogar schon mal Popularitätswerte von 45 bis 46 Prozent erreicht, kamen beide Spitzenreiter zuletzt nur noch auf je 35 bis 37 Prozent, während der schon nahezu abgeschriebene Wickremesinghe in den Umfragen eine rasante Aufholjagd hinlegte und sich von zuvor rund zehn Prozent auf 23 Prozent verbesserte.

Indiens Kalkül

Die Massenproteste, die Gotabaya stürzten, waren eine Folge der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise Sri Lankas seit der Unabhängigkeit der Insel 1948. Schon im April 2022 hatten Regierung und Zentralbank die Zahlungsunfähigkeit erklären müssen. Die Devisenreserven reichten nicht mehr aus, um die nächste Monatsrate im Schuldendienst zu begleichen. Bis zur Jahresmitte spitzte sich die Situation weiter zu, denn auch dringend notwendige Importe konnten kaum noch bezahlt werden. Viele Regale in den Geschäften waren wie leergefegt, vor den wenigen Tankstellen, die überhaupt noch Treibstoff ausgaben, bildeten sich lange Schlangen. Selbst der Busverkehr kam zeitweise zum Erliegen. Vor allem bilaterale Hilfen des großen Nachbarn Indien mit einem gewissen Pensum an Notlieferungen verhinderten am Ende einen völligen Zusammenbruch.

Der Regierung um den Hindu-Nationalisten Narendra Modi erschien es strategisch nicht ratsam, ein völliges Chaos auf der südlich von Indien liegenden Insel zu riskieren. Andererseits erkannte man in Delhi die Chance, verlorenen Einfluss zurückzugewinnen. Schließlich hatte sich Sri Lanka mehr als ein Jahrzehnt lang immer weiter dem Rivalen China angenähert. Beijing hatte den Inselstaat nach dem Ende des Bürgerkriegs 2009 insbesondere beim Wiederaufbau im Norden unterstützt und Milliardensummen in teilweise umstrittene Infrastrukturprojekte investiert, während Sri Lankas traditioneller Verbündeter Indien deutlich ins Hintertreffen geriet.

»Sri Lankas Wirtschaft befindet sich auf dem Weg der Besserung, aber nachhaltige Anstrengungen, um die Auswirkungen der ökonomischen Krise auf die Armen und Verwundbaren abzumildern, bleiben von erheblicher Bedeutung, ebenso wie die Fortsetzung robuster und nachdrücklicher struktureller Reformen«, hatte Anfang April Faris Hadad-Zervos, Regionaldirektor der Weltbank für die Malediven, Nepal und Sri Lanka, in der jüngsten Lageeinschätzung zusammenfassend betont. Es brauche, wie er weiter ausführte, eine Strategie, die auf zwei Säulen ruhe: Reformen für eine neue »makroökonomische Stabilität« und zugleich Maßnahmen, um private Investitionen und Kapitalflüsse wieder anzuziehen, um so das Wirtschaftswachstum in Gang zu setzen und die gestiegene Armut bekämpfen zu können. Für 2025 rechnen die Weltbank-Länderexperten immerhin wieder mit einem generellen Wachstum von 2,5 Prozent – rund 30 Prozent mehr als für das laufende Jahr prognostiziert wurden. 2022 war die Wirtschaft um real 7,8 Prozent eingebrochen, voriges Jahr belief sich der Rückgang noch auf 2,3 Prozent.

Überschuldet

Mit der Armutsbekämpfung werde es aber noch etwas dauern. Noch 2026, heißt es in der Analyse, dürfte die Quote der offiziell als arm Eingestuften bei 22 Prozent liegen. Denn wie die Weltbank durchaus zu Recht anmerkt, sind im Zuge der Krise viele Unternehmen, vor allem im Klein- und Kleinstgewerbe, zusammengebrochen. Bei den Frauen und in den urbanen Gebieten sei die Arbeitslosigkeit seither besonders groß. Tatsächlich hatte sich schon in der schlimmsten Phase gezeigt, dass Familien in den ländlichen Regionen, die ihre Nahrungsmittel zum größeren Teil selbst anbauen, tendenziell besser durch die Krise kamen.

Erleichternd wirkt derzeit zumindest, dass die Inflation, die zum Höhepunkt der Krise teils bei 70 Prozent lag, im August mit nominell 0,5 Prozent kaum mehr wahrnehmbar war. Aber auch ohne weitere Preisanstiege ist das Überleben für Menschen ohne halbwegs gesichertes Einkommen ein ständiger Kampf. Zumal es dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit den über vier Jahre gestreckten Beihilfen aus dem Nothilfefonds Extended Fund Facility (EFF) in Höhe von drei Milliarden US-Dollar zuvorderst darum geht, die Zahlungsfähigkeit Sir Lankas zu sichern. Die wichtigsten Gläubiger, ganz vorneweg China, wurden nachdrücklich zu einer Umschuldung aufgefordert, die noch im Gange ist. Dabei werden allerdings im Regelfall nur Zahlungsverpflichtungen zeitlich gestreckt.

Im Mittelpunkt steht, wie Sri Lanka seine alten Kredite abbezahlen kann. Die Tilgung frisst einen nicht unerheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Nur ein wirksamer Schuldenschnitt, mahnen deshalb die Initiatoren gleich mehrerer entsprechender Kampagnen, würde tatsächlich nachhaltige Hilfe bedeuten. Regierung und IWF betonen indes die Notwendigkeit, mehr Steuereinnahmen zu generieren. Dabei bleibt allerdings abzuwarten, ob die wirtschaftliche Elite im Land künftig zum Wohle der Allgemeinheit tatsächlich stärker zur Kasse gebeten wird. »Tatsache ist und bleibt derweil, dass jährlich 20 Milliarden US-Dollar nach Sri Lanka fließen für Waren, die von ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeitern hergestellt werden. Sie sind es, die auf den Teeplantagen und in den Nähereien die Produkte für den Export herstellen und die von der Regierung mit ihrer Austeritätspolitik im Stich gelassen werden«, konstatierte unlängst Ahilan Kadirgamar, Soziologiedozent an der Universität von Jaffna, im von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen IPG Journal.

Ende des ersten Quartals 2024 hatte das Land Gesamtschulden von 100,2 Milliarden US-Dollar angehäuft, teilte das Finanzministerium in Colombo in seinem jüngsten Bericht vom Juni dieses Jahres mit. Bei einheimischen Geldgebern steht der Inselstaat mit 57 Milliarden US-Dollar in der Kreide, gut 37 Milliarden sind es gegenüber ausländischen Gläubigern, darunter 10,6 Milliarden US-Dollar gegenüber anderen Ländern. Deutlich höher liegen die Schulden (32 Prozent) bei multinationalen Geldgebern, vorneweg die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB). Mit privaten ausländischen Kreditoren, die langfristige sri-lankische Staatsanleihen (International Sovereign Bonds) im Wert von 10,5 Milliarden US-Dollar gekauft haben, konnte die Regierung Wickremesinghe Ende Juni eine grundsätzliche Einigung aushandeln. 60 Prozent entfallen dabei auf Gläubiger einer Staatengruppe unter Führung von Indien und Japan, 40 Prozent auf die chinesische Export-Import-Bank (Exim).

Das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen weist in seinem jüngsten Zwischenbericht zu Sri Lanka vom August darauf hin, dass vier von zehn Familien weiterhin auf externe Hilfe angewiesen sind. 17 Prozent aller Kinder bis fünf Jahre gelten als unterernährt. Unter anderem mit einem Hilfsprogramm, das nun in sieben Distrikten gemeinsam mit staatlichen Partnern – vor allem den Ministerien für Bildung und Gesundheit – als Standardmaßnahme aufgelegt werde, soll das Angebot eines Schulessens gesichert werden, damit bedürftige Kinder dort wenigstens einmal täglich eine vollwertige Mahlzeit erhalten. Unter anderem das UN-Kinderhilfswerk UNICEF hatte große Anstrengungen unternommen, die schweren Auswirkungen der Krise gerade auf die Jüngsten abzuschwächen. Im ersten Halbjahr 2023 profitierten landesweit knapp 650.000 Menschen von der UNICEF-Hilfe, darunter 360.000 Kinder. Die gesamtökonomische Lage habe sich mit der Einigung zum IWF-Nothilfekredit zwar »prinzipiell stabilisiert«, die Versorgungssicherheit vieler Familien bleibe aber unsicher, wurde im Bericht vom August 2023 attestiert. Die gleiche Tendenz mit weiteren geringfügigen Verbesserungen lässt sich auch gut ein Jahr später ausmachen.

Zu den vielen offenen Fragen rund um die Wahl zählt auch das Votum der Tamilen. Eine Prognose ist denkbar schwierig. Mit Pakkiyaselvam Ariyanethiran gibt es zumindest offiziell einen »gemeinsamen tamilischen Kandidaten«, der als Interessenvertreter für die größte Minderheit im Land ins Rennen geht. Ariyanethiran hat in den zurückliegenden Wochen zahlreiche Wahlkampfauftritte im tamilischen Hauptsiedlungsgebiet von Jaffna ganz im Norden bis an die Ostküste absolviert. Der Mann, der 2004 als Nachrücker ins nationale Parlament kam und dort bis 2015 saß, wirbt mit »tamilischem Nationalismus«. Ein starkes Resultat für ihn, mutmaßt die Zeitung Daily Mirror, könnte die zuletzt eher moderat wirkende Politik der tamilischen Parteien wieder ein Stück »extremistischer« machen. Was genau der Autor damit meint, wird nicht ausgeführt.

Gespaltene Tamilen

Fakt ist, dass Ariyanethiran nur vorderhand der »gemeinsame« Kandidat ist. Die übergreifende Tamil National Alliance (TNA) ist sich nicht einig. So hat sich die Ilankai Tamil Arasu Kachchi (ITAK) ausdrücklich nicht für ihn ausgesprochen, sondern unterstützt statt dessen Premadasa. Die vor 75 Jahren gegründete ITAK war die erste relevante Kraft, die mit Nachdruck das Konzept eines föderalen Staates vertrat. Auch kleinere Tamilengruppen und die wichtigste Partei der Muslime als zweite große Minderheit haben sich für den konservativen Oppositionsführer ausgesprochen. Ob ihre Anhänger am Wahltag dieser Empfehlung folgen werden, ist aber nicht ausgemacht.

Noch 2019 war die Präsidentschaftswahl, die Gotabaya Rajapaksa gegen seinen stärksten Gegner Sajith Premadasa gewann, eine klare Angelegenheit. 2024 fällt eine Prognose deutlich schwerer, da die politische Landschaft stärker zersplittert ist; selbst innerhalb einiger der wichtigsten Parteien gibt es neue Spaltungstendenzen. Doch nicht nur diese Verwerfungen erschweren den Demoskopen ihre Arbeit. Die Tatsache, dass laut den jüngsten Umfragen selbst die beiden führenden Kandidaten deutlich unter der 40-Prozent-Marke rangieren, lässt die Bedeutung der Zweit- und Drittstimmen anwachsen. Denn ein Wahlsieger braucht mehr als 50 Prozent der Stimmen. Wird dieser Anteil nicht erreicht, kommen die nachgeordneten Präferenzen für das Amt des Präsidenten ins Spiel, die in dem reichlich komplexen Wahlsystem bei den Wählern abgefragt werden. Der nach Erststimmen Führende muss damit längst nicht auch final als Gewinner vom Platz gehen.

IWF-Auflagen

Premadasa hat sich dafür ausgesprochen, den IWF-Kredit nachzuverhandeln, der Sri Lanka im Kontext des strikten Austeritätskurses zu schmerzlichen Privatisierungen zwingt. Aber auch die lassen sich nicht so einfach ins Werk setzen, wie gedacht. Das zeigt das Beispiel der nationalen Fluggesellschaft Sri Lankan Airline, die ganz oben auf der Verkaufsliste steht. Wie deren CEO Richard Nuttall im Juni vor der Presse bestätigte, habe die Regierung im April zunächst mit sechs potentiellen Interessenten verhandelt. Ernsthafte Gespräche habe es dann mit dreien gegeben. Im Juli allerdings platzte der Vorstoß, sich von dem tief in den roten Zahlen stehenden Flaggschiff (wenigstens in größeren Anteilen) zu trennen. Es habe sich am Ende kein ernsthafter Bieter gefunden, hieß es in Colombo, obwohl die Politik sogar bereit schien, für zwei Milliarden US-Dollar an Altschulden geradezustehen.

Bemerkenswert ist, dass selbst die wichtigsten oppositionellen Gruppierungen SJB und NPP trotz gewisser kritischer Rhetorik nicht grundlegend am eingeschlagenen Kurs rütteln. In der zweiten Lesung stimmten sie im Juni zum Beispiel zwar gegen einen Gesetzentwurf zur strategischen Privatisierung des Stromsektors, ließen dann aber zu, dass die Reform ohne zusätzliche Abstimmung im Parlament gewissermaßen durch die Hintertür durchging. Damit ist sie nun in Kraft: Das 1969 gebildete Central Electricity Board (CEB) als bisherige Staatsbehörde wird in zwölf Einzelgesellschaften aufgespalten, die nacheinander privatisiert werden können. Das Nachsehen haben dabei absehbar nicht nur die Stromkunden, die mit steigenden Preisen rechnen dürfen. Schon bisher war das CEB-Personal von einst 24.000 um fast ein Zehntel auf 22.000 Mitarbeiter geschrumpft – jetzt sollen Tausende weitere Jobs wegfallen, so dass nur noch 18.000 Beschäftigte übrig bleiben, hatte CEB-Chef Narendra de Silva schon im Februar vor einem Parlamentsausschuss erklärt. Anura Kumara Dissanayake sprach sich zuletzt vor allem dafür aus, den kooperativen Sektor der Wirtschaft zu stärken. Privatisierungen seien nicht zielführend. Der Staat solle eine Rolle spielen, doch müsse verhindert werden, dass Minister Verwandte etwa als Chefs von Häfen oder Ölfirmen einsetzten.

Neben den drei führenden Kandidaten und Ariyanethiran dürfte mindestens das Abschneiden eines weiteren Bewerbers mit großem Interesse verfolgt werden. Wickremesinghe hatte gehofft, die von den Rajapaksas kontrollierte Mehrheitsfraktion der liberalen Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP), sein bisher wichtigster Rückhalt im Parlament, würde ihn unterstützen. Die Partei hat aber Namal Rajapaksa nominiert, den ältesten Sohn des ehemaligen Machthabers und Familienoberhauptes Mahinda Rajapaksa. Reale Chancen hat der 38jährige zwar nicht, könnte aber zu Lasten der anderen wohl zwischen vier und zehn Prozent der Stimmen holen. Abgeschrieben ist der über viele Jahre einflussreichste Politikerclan, der nun die nächste Generation aufbietet, jedenfalls nicht.

Thomas Berger schrieb an dieser Stelle zuletzt am 19. April 2024 über die Parlamentswahlen in Indien.

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