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Aus: Ausgabe vom 18.09.2024, Seite 16 / Sport
Sportpolitik

»Wo wollt ihr hin?«

Unter den Taliban fast unmöglich: Frauensport in Afghanistan
Von Jens Walter
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Heute nur mehr in den heimischen vier Wänden: Eine afghanische Frau beim Schattenboxen (2019)

Bahar trifft sich mit ihren Freundinnen in der Mittagshitze von Kabul. In einem privaten Garten nimmt sie ihr Kopftuch ab, hier sieht sie niemand. Sie und andere afghanische Frauen gehen in dem geschützten Raum ihrer Leidenschaft nach: Sie boxen. Unter den islamistischen Taliban völlig verboten, Sport ziemt sich nach deren rigiden Geschlechtervorstellungen für Frauen nicht – besonders kein Kampfsport. Bahar und die anderen wollen das Training nicht aufgeben. Natürlich haben sie Angst vor Strafen.

»Wenn wir boxen, ist alles für einen Moment vergessen. Selbst wenn wir nur ein paar Minuten trainieren, macht das einen großen Unterschied«, sagt die 20jährige der Nachrichtenagentur AFP. Sogar ihr Mann wisse nicht, dass sie noch boxt. Seit der Machtübernahme der Taliban Ende August 2021 hat sich die ohnehin prekäre Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan nochmals enorm verschlechtert. Sport ist ihnen heute quasi verboten.

Die Behörden der Taliban haben eine drakonische Auslegung des islamischen Rechts, Frauen werden besonders stark eingeschränkt. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Ungleichbehandlung als »Geschlechterapartheid«. Im November 2022 wurde ein Gesetz erlassen, das es Frauen verbietet, Parks und Fitnessstudios aufzusuchen. Die Begründung: Dort könnten sie die strengen Verschleierungsvorschriften nicht einhalten.

Einigermaßen frei spazieren kann die 25jährige Sanah auf den Straßen Kabuls nur in den frühen Morgenstunden – aber eben auch nur einigermaßen. »Wir können nicht in die Nähe der Taliban-Kontrollpunkte gehen, weil sie sagen: ›Warum seid ihr so früh vor dem Haus? Wo wollt ihr hin? Warum müsst ihr Sport treiben, ihr müsst es nicht, also lasst es‹«, sagt Sanah. Ihren richtigen Namen will sie wie alle anderen von AFP befragten Frauen nicht nennen, sie alle haben Angst vor möglichen Folgen.

»Der Arzt hat mir gesagt, ich solle mehr Sport treiben, weil ich einen hohen Cholesterinspiegel und eine Fettleber habe, aber die Taliban lassen uns nicht trainieren, ins Fitnessstudio gehen oder draußen spazieren«, erklärt Sanahs gute Freundin Latifah. Sie sei sogar gewaltsam aus einem Park vertrieben worden. Die Menschenrechte der Frauen auf körperliche und geistige Gesundheit werden so erheblich beeinträchtigt.

Viele afghanische Profi- und Amateursportlerinnen haben das Land mittlerweile verlassen. Unter den Taliban ist für sie ein geregelter öffentlicher Sportbetrieb nicht möglich. Drei Frauen starteten unter afghanischer Flagge bei Olympia, dazu zwei weitere für das Flüchtlingsteam. Trainieren konnten sie in ihrer Heimat nicht. Frauensport bedeutet in Afghanistan vor allem eins: Versteckspielen.

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