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Aus: Ausgabe vom 19.09.2024, Seite 5 / Inland
Rohstoff-Fonds

Im Deutschland-Tempo

Ampel präzisiert Pläne für Rohstoffonds. Dieser soll vor allem helfen, China und Russland bei der Beschaffung kritischer Rohstoffe zu umgehen
Von Jörg Kronauer
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Für die Unabhängigkeit: Am Mittwoch startete die erste Lithiumhydroxid-Raffinerie der BRD in Bitterfeld-Wolfen ihren Betrieb

Wenn das mal kein neuer Fall von Deutschland-Tempo ist. Laut einem Bericht des Handelsblatts vom Mittwoch hat die Bundesregierung den neuen Rohstoffonds, der eine eigenständige Versorgung der deutschen Industrie mit den strategisch wichtigsten Ressourcen sichern helfen soll, jetzt konkret auf den Weg gebracht – schlappe 22 Monate nach dem Beginn der Planungen.

Eine Milliarde Euro wird er umfassen; das Geld bereitstellen soll die staatliche Förderbank KfW. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben das nun in einem Schreiben an die KfW angeordnet. Er solle, so heißt es, »bestimmte Projekte« finanzieren, »damit die Rohstoffversorgung deutscher Unternehmen abgesichert, die Abhängigkeit von anderen Staaten verringert sowie die Resilienz der Lieferketten (…) gestärkt werden«.

Den Anstoß zur Gründung des Rohstoffonds hatte im November 2022 in einem internen Eckpunktepapier das Bundeswirtschaftsministerium gegeben. Der Hintergrund: Der Ukraine-Krieg hatte das Naheliegende spürbar gemacht – dass man nämlich, wenn man einen Rivalen so hart angeht wie den russischen Staat mit umfassender militärischer Unterstützung für die Ukraine, mit Gegenmaßnahmen zu rechnen hat, etwa mit der Reduzierung des gelieferten Erdgases.

Wenn man aber von Ressourcen des Rivalen allzu sehr abhängig ist, dann muss man unter Umständen Rücksichten nehmen, ist also nicht beliebig eskalationsfähig. Das aber gilt es aus Sicht Berlins zu verhindern. Weil der Westen nun aber schon damals den Konflikt mit China gefährlich befeuerte, Deutschland jedoch zugleich – nur ein Beispiel – über 90 Prozent seiner seltenen Erden von dort bezog, lag es nahe, die Suche nach neuen Rohstoffquellen energisch zu forcieren.

Die Idee, die Habeck qua Zuständigkeit vorantrieb, war nun ebenjener Fonds, der konkrete Förderprojekte jenseits von Russland und China unterstützen und unter Umständen auch eine Staatsbeteiligung durch Eigenkapital an ihnen ermöglichen soll. Wollte Lindner dafür zunächst kein Geld rausrücken, plante Habeck mit Mitteln aus seinem Klimafonds – bis ihm schließlich das Bundesverfassungsgericht einen Strich durch die Rechnung machte.

In der Industrie machte sich Unruhe breit. China setzte Exportkontrollen auf Gallium, Germanium und Graphit in Kraft, bei denen Deutschland von seinen Lieferungen zu respektive 60, 75 und 90 Prozent abhängig ist. Frankreich errichtete seinen eigenen Rohstoffonds mit einem Volumen von zwei-, Italien einen weiteren mit einem Volumen von einer Milliarde Euro. Nur in Berlin verfuhr man, wie gehabt, im Deutschland-Tempo.

Anfang Juli reichte es den Bossen, zumal immer deutlicher wurde, dass die Bundesregierung nicht nur eskalations-, sondern auch kriegsbereit (Pistorius) war. »Für parteipolitischen Streit ist das Thema [Rohstoffonds] zu wichtig und zu akut«, trat BDI-Präsident Siegfried Russwurm der Regierung in einem Schreiben, das irgendwer dem Handelsblatt weiterreichte, vors Schienbein: »Vor diesem Hintergrund bitten wir sie, der offiziellen Mandatierung der KfW« für die Bereitstellung der geplanten Milliarde Euro »schnellstmöglich grünes Licht zu geben«.

Das half. Jetzt ging es für deutsche Verhältnisse blitzschnell. Lächerliche zweieinhalb Monate später brachten Habeck und Lindner die erforderliche Anweisung an die KfW auf den Weg. Rund 30 Unternehmen sollen inzwischen konkrete Rohstoffprojekte in Arbeit haben, die sie fördern lassen wollen. Bis die Projekte genehmigt sind und reale Ressourcen zutage fördern, dürfte es freilich noch ein Weilchen dauern.

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