Israel will mehr Krieg
Von Wiebke DiehlMan trete »in eine neue Phase des Krieges ein, die uns Mut, Entschlossenheit und Ausdauer abverlangt«. So hat Israels Verteidigungsminister Joaw Gallant am Mittwoch abend, kurz nach einer zweiten Explosionswelle von Funkgeräten im Libanon, die israelische Öffentlichkeit auf die wachsende Wahrscheinlichkeit eines umfassenden Kriegs gegen den Libanon eingestimmt. Truppen und Ressourcen würden aus dem Gazastreifen abgezogen und an die Nordgrenze verlegt. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warf Israel in einer Rede am späten Donnerstag nachmittag versuchten »Völkermord« und ein »Massaker« vor. »Dieser kriminelle Akt kommt einer Kriegserklärung gleich«, sagte er. Israel habe alle roten Linien überschritten.
Zuvor hatte sich Gallant indirekt auch dazu bekannt, dass Israel die Verantwortung für die Terroranschläge von Dienstag und Mittwoch im Libanon mit inzwischen 37 Todesopfern und mehr als 3.250 Verletzten trage. Der UN-Sicherheitsrat wird sich an diesem Freitag in einer Dringlichkeitssitzung damit befassen. Gallant lobte nicht nur die Arbeit seiner Streitkräfte, sondern fügte hinzu, »die Ergebnisse« seien »beeindruckend«. In der Nacht zu Donnerstag hatte das israelische Militär zudem nach eigenen Angaben mehrere libanesische Ortschaften attackiert. Die Hisbollah reagierte mit Angriffen auf Militärstützpunkte und erklärte, es sei zu Toten und Verletzten gekommen.
Derweil sind neue Details zu den mit Sprengstoff manipulierten Pagern und Walkie-Talkies bekanntgeworden: Wie die New York Times unter Berufung auf zwölf aktive und ehemalige Verteidigungs- und Geheimdienstbeamte berichtete, waren deren Explosionen Folgen einer »komplexen und von langer Hand geplanten Operation«. Die Briefkastenfirma BAC Consulting Kft. mit Sitz in Budapest, die eine Lizenzvereinbarung mit der taiwanesischen Firma Gold Apollo unterzeichnet hatte, habe im Auftrag des Auslandsgeheimdiensts Mossad die Batterien der für die Hisbollah bestimmten Pager mit dem Sprengstoff PETN versetzt. Am Donnerstag erklärte ein ungarischer Regierungssprecher, die Pager seien »nie« im Land gewesen. BAC sei ein Handels- und Vermittlerunternehmen, das keinen Betriebsstandort in Ungarn unterhalte. Der japanische Hersteller der am Mittwoch explodierten »IC-V82«-Walkie-Talkies gab ebenfalls am Donnerstag bekannt, deren Produktion 2014 eingestellt zu haben. Bei den meisten noch im Handel befindlichen Geräten handle es sich um Fälschungen.
In der Bundespressekonferenz wollte die Bundesregierung keine Stellung zu der Frage beziehen, ob es sich bei den gezielt herbeigeführten Explosionen mitten unter Zivilisten um einen Terrorakt handele. Für eine völkerrechtliche Einordnung fehlten »eigene Erkenntnisse«, so die Sprecher unterschiedlicher Ministerien. Am Mittwoch (Ortszeit) enthielt sich Deutschland zudem in der UN-Generalversammlung in New York bei einer mit der überwältigenden Mehrheit von 124 Jastimmen zu 43 Enthaltungen und 14 Neinstimmen verabschiedeten Resolution, die ein Ende der israelischen Besatzung entsprechend dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli fordert. In einer Erklärung begründete das Auswärtige Amt das Abstimmungsverhalten mit der in der Resolution festgesetzten, angeblich »unrealistischen Frist« von zwölf Monaten für eine Beendigung der Besatzung. Zudem könnten nur Verhandlungen zu einer nachhaltigen Lösung führen. Allerdings hat die israelische Knesset am 18. Juli die Gründung eines palästinensischen Staates strikt abgelehnt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (19. September 2024 um 20:32 Uhr)Ein sicheres Anzeichen dafür, dass es sich bei den Pager-Explosionen um einen Verstoß gegen das Völkerrecht mit terroristischem Charakter und nicht um eine völkerrechtskonforme militärische Aktion gehandelt hat, sind die ausufernden und komplizierten Argumentionen, mit denen die nun zur Rechtfertigung herangezogenen Rechtsexperten in den einschlägigen Medien jonglieren. Dabei versucht man, auf Biegen und Brechen das Offensichtliche zu verschleiern, nämlich dass diese Aktion erstens kein militärisches Ziel verfolgte, sondern schlicht Angst und Verunsicherung unter der Hisbollah und ihren Anhängern auslösen, also, mit anderen Worten, Terror verbreiten sollte und, zweitens, unter billigender Inkaufnahme eines extrem hohen Risikos schwerer und potenziell tödlicher Verletzungen von Unbeteiligten durchgeführt wurde. Sollte sich zusätzlich noch herausstellen, dass damit ein Großangriff der Hisbollah auf Israel provoziert werden sollte, um der Netanjahu-Regierung gegenüber der israelischen Bevölkerung einen Vorwand für einen Krieg gegen den Libanon zu liefern, würde das die skrupellosen Verdreher internationalen Rechts im Westen und diejenigen Medien, die ebenfalls keine Skrupel haben, eine von Rassisten und Rechtsradikalen dominierte Regierung zu verteidigen, endgültig Lügen strafen.
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