Große Zinssenkung in den USA
Von Lucas ZeiseDer Schritt war angekündigt: Die US-Notenbank hat am Mittwoch den Leitzins gesenkt. Der Präsident der Federal Reserve (Fed), Jerome Powell, hatte die Senkung vor Wochen schon versprochen. Allerdings war umstritten geblieben, wie hoch die Zinssenkung ausfallen würde: In der Regel bewegt die Notenbank die Zinsen in Schritten um einen viertel Prozentpunkt nach oben oder unten, manchmal allerdings auch stärker. Am 18. September wurde die Zinsspanne dann um einen großen Schritt, nämlich um einen halben Prozentpunkt, von 5,25 bis 5,5 auf 4,75 bis 5,00 Prozent herabgesetzt.
Der Finanzmarkt reagierte verhalten. Der US-Dollar fiel zunächst etwas zurück, Gold wurde entsprechend teurer, die Zinsen am Anleihemarkt gaben etwas nach, und der Aktienmarkt flatterte kurz aufwärts. Als Powell in der Pressekonferenz nach der Entscheidung davor warnte, von den letzten beiden Zinsberatungssitzungen der Fed im November und Dezember dieses Jahres ähnlich kräftige Zinssenkungen zu erwarten, drehten die Bewegungen an den Märkten in die andere Richtung.
Es kommt nicht oft vor, dass die Zinsen an den Kredit- und Bondmärkten steigen, wenn die Notenbank gleichzeitig ihre Zinsen kräftig senkt. Immerhin bringen zehnjährige US-Staatsanleihen nur etwa 3,6 Prozent und damit erheblich weniger als Tagesgeld bei der Notenbank, selbst bei ihrem jetzt deutlich ermäßigten Satz. Umgekehrt bleibt es rechnerisch ein Verlustgeschäft, sich bei der Notenbank zu verschulden, um dafür langlaufende Anleihen zu erwerben. Die Banker und Spekulanten erwarten offensichtlich ein schnelles Ende der Hochzinsphase, die im Laufe eines Jahres die Notenbankzinsen auf »normale« etwa zwei Prozent zurückführt.
Derlei ist nicht aus der Luft gegriffen und erinnert an die Tatsache, dass die Fed die Zinsen umgekehrt in schneller Folge in wenig mehr als einem Jahr vom März 2022 an auf das bis jetzt gültige Niveau von 5,5 Prozent hochgeschoben hatte. Sie verweisen darauf, dass die Inflation in den USA mittlerweile auf 2,5 Prozent (August) zurückgegangen ist und damit den offiziellen Zielwert der Notenbank von zwei Prozent fast erreicht hat. Der plötzliche Anstieg der Inflation 2021/22 auf bis etwa zehn Prozent jährlich war schließlich der Anlass für die hohen Zinsen gewesen.
Wozu also überhaupt noch so hohe Zinsen? Schließlich wird auf die Gefahr einer Rezession, auch in den USA, hingewiesen. Dass bei der Konkurrenz Wachstumsschwäche herrscht (selbst im ehedem so starken China), gilt ohnehin als ausgemacht. In der EU haben die drei Jahre stark steigender Preise das vorher schon kümmerliche Wirtschaftswachstum zum Erliegen gebracht. Entsprechend hat die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen erst später und weniger hoch angehoben als die Fed und früher damit begonnen, sie zu senken.
In »America«, wie US-Bürger und -Politiker ihr Land gern nennen, ist alles besser. Dort hat die Regierung Biden mit unerhört hohen Summen, die von Trumps Republikanischer Partei im Kongress freundlicherweise gebilligt wurden, die Investitionen der freien Wirtschaft kräftig gefördert und die Steuern der Unternehmen weiter gesenkt. Wie im alten Europa wurden Pleiten (und Massenentlassungen) vielfach verhindert. Die Zahl der Arbeitslosen ist kaum gestiegen. Anders als in Deutschland ist der Wohnungsbau nicht abgesackt. Die US-Bürger haben in ihrer Gesamtheit trotz der stark gestiegenen Einzelhandelspreise ihren Konsum weitgehend real aufrechterhalten. Er ist nominal gerechnet damit stärker als zuvor.
Erst seit diesem Sommer kommen Zweifel auf, ob das »Soft landing« gelingt. Mit diesem schönen Ausdruck bezeichnen US-Ökonomen das langsame Abgleiten des großen Aufschwungs in eine Phase mäßigen Wachstums. Das zu ermöglichen ist erklärtermaßen Ziel von Fed-Chef Powell. Obwohl die Reaktion der Finanzmärkte auf die erste und kräftige Zinssenkung der Notenbank ein bisschen enttäuschend ausfiel, trauen ihm viele zu, dass er auch den Aktienmarkt wieder in Schwung bringt. Sollte der Markt wider Erwarten Schwäche zeigen, wird Powell nicht zögern, mit kräftigen Zinssenkungen den Crash abzuwenden.
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