Handkes Epos
Von Martin WillemsBevorzugt, verriet Peter Handke einmal, trage er sein Notizbuch in der linken Hosentasche. Stets griffbereit, um Bewusstseinseindrücke aller Art oder Werkskizzen darin aufzunehmen. Moleskines mit Gummiband erwiesen sich als wenig praktikabel, so sind die ab 1975 entstandenen 35.000 Seiten zumeist spiralgebunden überliefert. Bereits deutlich vor der Verleihung des Nobelpreises gelangten die inzwischen über 300 Journalbände ins Deutsche Literaturarchiv Marbach.
Wie eine digitale Edition dieses vielschichtige Textmassiv kontinuierlich erschließen möchte, erfuhr man Dienstag abend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften – staunend. An der Arbeit der Forschungsgruppe um die Literaturwissenschaftlerin Katharina Pektor müssen sich ähnlich gelagerte Vorhaben unbedingt messen lassen (etwa die demnächst online erscheinende »Chronik« des legendären Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld). Vollständige Reproduktionen, »zeichen- und sinngetreue« Umschriften, Übersetzungen chinesischer, kyrillischer, slowenischer, griechischer Passagen, detaillierte Kommentare bis hin zur Erwähnung eingepresster Vogelfedern, der Einsatz adäquater Technologien sowie zahlreiche Register verschaffen einen ungeahnten Zugang zu Handkes »persönlichem Epos«.
Nicht nur der Geehrte, auch die 150 Anwesenden wirkten nach überaus huldvollen Einführungen beinahe erleichtert. Auf Worte folgte endlich Sprache: Die von Sophie Semin gelesenen Beispiele aus dem Sommer 1978 demonstrierten jenen »seltsamen Enthusiasmus«, der Handke während seiner Aufzeichnungen, »mitten im Wahrnehmen«, ergreift, es sei regelrecht »ein Sport zuzuschauen«. Er spüre »Friede im Beobachten«. Selbst beim launigen Gespräch mit Ulrich von Bülow (Marbach) und Bernhard Fetz (Österreichische Nationalbibliothek) legte Handke das Notizbuch nicht aus der Hand, gewährte sogar Einblick in letzte Eintragungen: »Was bleibt und bleibt ist das Entziffern.« Festgehalten am 28. August. Goethes Geburtstag.
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