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Aus: Ausgabe vom 20.09.2024, Seite 15 / Feminismus
Reproduktionsrecht

Ungewollt schwanger und daran gestorben

USA: Erster vermeidbarer Fall nach verschärften Abtreibungsgesetzen dokumentiert
Von Ina Sembdner
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Zweiter Jahrestag: Aktivistinnen protestieren vor dem US-Supreme Court, der das Recht auf Schwangerschaftsabbruch eingestampft hat (Washington D.C., 24.6.2024)

Der Tod einer Frau in den USA nach Komplikationen infolge eines Schwangerschaftsabbruchs ist Recherchen zufolge auf das restriktive Abtreibungsgesetz im Bundesstaat Georgia zurückzuführen. Die 28jährige Amber Nicole Thurman habe im August 2022 aufgrund der Rechtslage zu spät medizinische Hilfe bekommen, berichtete die Rechercheplattform Propublica am Montag. Demnach handelt es sich in Georgia um den ersten offiziell als »vermeidbar« eingestuften Todesfall im Zusammenhang mit einem Abbruch in den USA. Die Rechercheplattform berief sich auf Angaben eines Ausschusses des südöstlichen Bundesstaates, der den Fall untersucht hatte und zum Schluss kam, dass die Ärzte zu spät einen vermutlich lebensrettenden Eingriff vorgenommen hatten. Kurz zuvor wurde in Georgia ein Gesetz verabschiedet, das die Ausschabung der Gebärmutter unter Strafe stellt und nur wenige Ausnahmen vorsieht, die zudem vage gehalten werden und schwer zu interpretieren seien.

Thurman war wegen des in Georgia geltenden Verbots nach der sechsten Schwangerschaftswoche in den Bundesstaat North Carolina gereist, um dort einen Abbruch vorzunehmen. In den Tagen nach der Einnahme eines entsprechenden Medikaments traten jedoch Komplikationen auf, und sie musste in Georgia in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Dort wurde eine akute Sepsis diagnostiziert, die Ärzte warteten jedoch trotz der raschen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands 17 Stunden, bevor sie die Ausschabung der Gebärmutter vornahmen, wie Propublica weiter berichtete. Thurman »starb im Krankenhaus, umgeben von medizinischem Personal, das ihr Leben hätte retten können«, schrieb die feministische Autorin Jessica Valenti im Onlinedienst X. »Das ist das Ergebnis der Abtreibungsverbote.«

Die Demokratische Partei hat dem Thema, das weiße und nichtweiße US-Amerikanerinnen vordergründig zu einen scheint, im Wahlkampf oberste Priorität eingeräumt. »Das ist genau das, was wir befürchtet haben, als Roe (das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Abbruch, jW) abgeschafft wurde«, erklärte Präsidentschaftsaspirantin Kamala Harris. »Frauen verbluten auf Parkplätzen, werden in Notaufnahmen abgewiesen und verlieren ihre Fähigkeit, jemals wieder Kinder zu bekommen.« Und wie in allen Bereichen sind rassifizierte Frauen deutlich stärker davon betroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass Ausschüsse wie der in Georgia zwar in jedem Bundesstaat eingerichtet werden, aber oft erst mit einer zweijährigen Verzögerung zu den von ihnen untersuchten Fällen arbeiten, wie Propublica schreibt. Dies bedeutet, dass sich jetzt erst mit den Todesfällen befasst wird, die sich ereigneten, nachdem der Oberste Gerichtshof das landesweite Recht 2022 aufgehoben hatte.

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