Wettrennen der Steigbügelhalter
Von Philip TassevDas Ende der Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP im Bund scheint eine sichere Sache zu sein. Die Frage ist nur noch, ob sie bis zur nächsten Bundestagswahl zusammenhält oder vorher auseinanderfällt. Die Union sieht sich als nächste Kanzlerpartei, eine »Regierung im Wartestand«, wie es der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gegenüber dem Spiegel (Freitag) formulierte, und träumt von »35 Prozent plus x« bei der für September 2025 angesetzten Wahl. Solange x nicht größer als 15 wird, brauchen die Christdemokraten aber mindestens einen Koalitionspartner.
Wüst führt eine »schwarz-grüne« Landesregierung an, ebenso wie sein Parteikollege Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Beide versuchen ihr Modell als ein Vorbild für eine Koalition auf Bundesebene zu präsentieren, was aber zur Zeit bei der Unionsspitze auf wenig Gegenliebe stößt – ob aus wahltaktischen oder ideologischen Motiven, sei dahin gestellt.
Besonders die CSU ist gegen ein Bündnis mit den Grünen. Nach dem »No-Go« des CSU-Vorsitzenden Markus Söder betonte das auch der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, am Donnerstag. Die Grünen seien der »Brandbeschleuniger für die Polarisierung in der Gesellschaft«. Eine »Spaltung der Gesellschaft« werfen die selbsternannten Demokraten sonst regelmäßig der AfD oder dem BSW vor.
Aber nicht nur aus Bayern, auch aus der übrigen CDU kommen ablehnende Worte, etwa von Carsten Linnemann. »Ich kann Ihnen heute sagen: Mit den Grünen, mit diesen Grünen, werden wir diesen Kurswechsel nie schaffen«, erklärte der CDU-Generalsekretär am Freitag bei Bild. Für den stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion, Jens Spahn, sind die Grünen »maßgeblich für den Frust im Land verantwortlich«, wie der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Auch dem Bundesvorsitzenden der Jungen Union, Johannes Winkel, fehlt laut RND für »schwarz-grün« die »Phantasie«.
CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz äußerte sich bisher zwar auch eher ablehnend, allerdings mit gewissen Einschränkungen. »Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es geht nicht«, hatte er kürzlich in der ARD gesagt, aber hinzugefügt: »Wenn es sich in den nächsten zwölf Monaten anders entwickelt, können wir schauen.«
Und bei den Grünen? Deren Kobundesvorsitzender Omid Nouripour beklagte am Donnerstag gegenüber den Funke-Zeitungen die »Ausschließeritis der CSU«. Die Kochefin der grünen Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte der Süddeutschen Zeitung, man dürfe die Wähler nicht für dumm verkaufen, denn die wüssten, »dass CDU, SPD, Grüne und FDP, also die demokratischen Parteien, miteinander koalitionsfähig sein müssen«. Auch Merz sei »klug genug, das zu wissen«. Es sei »angesichts der Schnellebigkeit unserer Zeit« nicht ausgemacht, »wo wir in einem Jahr stehen«.
Der langjährige Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin, der sein Bundestagsmandat Anfang des Jahres abgegeben hatte, ging am Freitag davon aus, dass es die SPD sein wird, mit der sich seine Partei ein Wettrennen um einen Platz an der Seite der Union liefern wird. Sowohl Grüne als auch CDU/CSU müssten für ein Zusammenkommen Kompromisse eingehen. »Wenn die CDU im Bund regieren will, wird sie sich in die Mitte begeben müssen. Nur dort gibt es Mehrheiten.«
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