Es kann jeden treffen
Von Karin LeukefeldMit Spannung war sie erwartet worden, die Rede von Hassan Nasrallah nach den zwei Explosionswellen von Tausenden Personenrufempfängern, sogenannten Pagern, am Dienstag sowie Walkie-Talkies und Funkgeräten am Mittwoch. Wie zu erwarten, machte der Vorsitzende der libanesischen Hisbollah in seiner Rede am Donnerstag Israel für die Explosionen verantwortlich und schwor Rache. Allerdings fügte er hinzu: »Ihre Art, ihr Umfang, ihr Zeitpunkt und ihr Ort … Das werden wir definitiv für uns behalten.« Nasrallah sprach weiter von einem »Massaker«, das »der israelische Feind« an Tausenden Menschen verübt habe. Die Absicht hinter der gezielten Explosion der zivilen Geräte: Mehr als 5.000 Menschen in wenigen Minuten umzubringen.
Die Zahl der Toten beider Tagen werden vom libanesischen Gesundheitsministerium (Stand Freitag) mit 37 angegeben, darunter auch zwei Kinder. Die Hisbollah meldete den Tod von 20 Mitgliedern durch die beiden Explosionswellen. Mehr als 3.000 Personen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Iran, Irak und Syrien boten medizinische Hilfe an. Patienten mit schweren Augenverletzungen wurden auch nach Damaskus transportiert.
Zweifellos habe man im Bereich der Sicherheit und auf der menschlichen Ebene einen schweren, beispiellosen Schlag erlitten, so Nasrallah. Am Dienstag abend habe man offizielle und inoffizielle Botschaften von Israel erhalten, wonach Ziel der Angriffe sei, dass die Hisbollah ihre Unterstützung für Gaza einstellen solle. Aber im »Namen der Märtyrer und der Verletzten, im Namen derjenigen, die ihre Augen und Hände verloren haben« werde der Widerstand im Libanon nicht aufhören, Gaza zu unterstützen und ihm beizustehen.
Nach Berichten der New York Times herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad für die Angriffe verantwortlich ist. Allerdings arbeiten die USA und Israel so eng zusammen, dass zumindest auch eine Mitwisserschaft des US-Auslandsgeheimdienstes CIA denkbar ist. Kaum etwas geschieht, was der eine vom anderen nicht weiß. Doch der Mossad kooperiert nicht nur mit der CIA – wie aktuell bei den Verhandlungen für einen Waffenstillstand im Gazastreifen – er hält auch enge Kontakte zu den Geheimdiensten in Frankreich, Großbritannien und Deutschland.
Mossadagenten können mit Ausweispapieren und Pässen anderer Staaten in Ländern agieren, in die israelische Staatsbürger nicht einreisen dürfen. Bekannt wurde das 2010, als ein Mossadkommando den Hamasfunktionär Mahmud Al-Mabhuh in einem Hotelzimmer in Dubai ermordete. Zwölf der 26 eingesetzten Agenten waren damals mit EU-Pässen aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Irland in die Vereinigten Arabischen Emirate eingereist. Drei Agenten hatten australische Pässe.
»Erhebe dich und töte zuerst«, ist ein Motto des Mossad, wie der israelische Autor und Journalist Ronen Bergman in seinem Buch »Rise and kill first« (deutsch: Der Schattenkrieg) beschreibt. Seit Bestehen des Staates Israel haben Mossadagenten demnach mindestens 2.700 Personen gezielt ermordet. Der Spruch ist dem Talmud entnommen, wo es heißt: »Wenn jemand kommt, um dich zu töten, erhebe dich und töte zuerst.« Eingesetzt wurden dafür schon vergiftete Zahnpasta, bewaffnete Drohnen, explodierende Mobiltelefone, Ersatzreifen mit einer Fernzünderbombe oder manipulierte Autos wie bei Wissenschaftlern im Iran. Britische Politiker wurden ebenso schon ermordet wie Vertreter von Hamas, Hisbollah und der PLO, schreibt Bergman. Zu den Agenten, die vor der israelischen Staatsgründung in Vorläuferorganisationen des Mossad aktiv waren, zählten hochrangige israelische Politiker wie Menachem Begin, Jitzak Shamir, Ehud Barak und Ariel Sharon.
Die massenhafte Detonation von Alltagsgegenständen wie Mobiltelefonen, Walkie-Talkies oder Pagern sollte allen zu denken geben, die Geschäfte mit Israel machen oder gar entsprechende Manipulationstechnik wie künstliche Intelligenz im Rüstungsbereich in Auftrag geben oder selber entwickeln. Es kann jeden treffen.
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