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Aus: Ausgabe vom 21.09.2024, Seite 6 / Ausland
Kanada

Trudeau wackelt

Kanada: Liberale Regierung verliert bei Kommunalwahlen
Von Alex Favalli
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Inszenierung misslungen: Kanadas Premier Trudeau mit Stahlarbeiter (Sault Ste. Marie, 30.8.2024)

Es läuft nicht gut für Justin Trudeau. Die Partei des kanadischen Premierministers hat die Wahlen in Montréal, einem sicheren Sitz der Liberalen, am Montag verloren. Zusammen mit der Niederlage im Juni in Toronto, einer weiteren Festung der Partei, deutet alles auf einen nahen Abgang des Premiers hin. Der sozialdemokratische Bloc Québécois, die separatistisch-nationalistische Partei des Wahlkreises, ging hingegen als großer Sieger aus der Abstimmung hervor.

Ein Video, das möglicherweise dazu beigetragen hat, ging Ende August im Netz viral. Es zeigte den Premier zu Besuch in einem Stahlwerk im Norden Ontarios. Es sollte ein PR-Stunt für den Wahlkampf werden: Trudeau bietet den Arbeitern Donuts an und schüttelt ihre Hände. Doch ein Arbeiter verwehrt ihm die Hand und spricht den Premier statt dessen darauf an, dass er trotz eines festen Jobs kaum über die Runden komme. Trudeau zählt daraufhin einige Maßnahmen seiner liberalen Regierung auf, darunter Zoll auf chinesischen Stahl, der kanadische Arbeiter schützen soll. »Ich glaube Ihnen keine Sekunde«, ist die Antwort. »Ich glaube, Sie sind nur noch ein Jahr hier.« Laut der Toronto Globe and Mail war dies eine »perfekte Miniatur des Augenblicks« in der kanadischen Politik, der die Müdigkeit und Frustration zum Ausdruck bringe, die Trudeau in der Öffentlichkeit entgegenkommt.

Im neunten Jahr als Regierungschef ist seine Zustimmungsrate von 63 Prozent bei seiner ersten Wahl 2015 auf 28 Prozent im Juni dieses Jahres gesunken. Diese sinkende Popularität hat bereits Konsequenzen für die regierende liberale Partei. Zwischen den Liberalen, dem Bloc Québécois und der ebenfalls sozialdemokratischen New Democratic Party (NDP) zeichnet sich ein hartes Rennen ab – planmäßig sind die nächsten Wahlen im Oktober 2025 angesetzt. Trotzdem zeigte sich Trudeau diese Woche zuversichtlich, dass er seine Partei auch weiterhin anführen wird.

Bei seiner Amtsübernahme vor neun Jahren inszenierte er sich als progressiver Leuchtturm. US-amerikanische Medien fragten damals im Kontext des Trump-Clinton-Wahlkampfs, warum ihr Land nicht einen solchen Kandidaten habe. Doch in den vergangenen Jahren, vor allem im Zuge der Covid-19-Pandemie, verschlechterte sich die Lage im Land. Wohnungen wurden unerschwinglich, die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschnellt, und das öffentliche Gesundheitssystem kämpft mit großen Schwierigkeiten. Obwohl viele dieser Probleme nicht allein in der Verantwortung der Bundesregierung liegen – das Gesundheitswesen beispielsweise wird weitgehend von den Provinzen verwaltet – scheinen die Kanadier ihre Frustration vor allem gegen den Premier zu richten.

Wie man es von Liberalen am politischen Abgrund inzwischen gewohnt ist, versucht auch Trudeau nun, die Probleme auf Ausländer zu schieben, um die eigene Verantwortung zu vertuschen. »Wir reduzieren die Zahl der ausländischen Beschäftigten mit niedrigen Löhnen und verkürzen die Dauer ihrer Arbeitsverhältnisse. Wir brauchen Unternehmen, die in kanadische Beschäftigte investieren«, kündigte er am Mittwoch auf X an. »Einwanderung ist ein Vorteil für unsere Wirtschaft – aber wenn schlechte Akteure das System missbrauchen, gehen wir hart vor.« Währenddessen dürfte sich die Parlamentsarbeit diesen Herbst als äußerst schwierig erweisen. Der Vorsitzende der Konservativen, Pierre Poilievre, beabsichtigt, »so früh wie möglich einen Misstrauensantrag einzubringen«, um die Regierung zu stürzen. Sollte der damit Erfolg haben, könnten die Kanadier bald auf nationaler Ebene zu den Wahlurnen gehen. Und wenn die aktuellen Umfragen ein Hinweis darauf sind, wie sie abstimmen werden, könnte dies das Ende der Ära Trudeau bedeuten.

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