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Aus: Ausgabe vom 25.09.2024, Seite 10 / Feuilleton
Abspülen nicht vergessen

Eine Ideologie namens Wirklichkeit

Das Land als wilhelminische Erziehungsanstalt: Da packt einen die Machtwut
Von Jürgen Roth
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Bleibt mir weg mit eurem Dreck: Die medial kartellierte Gesellschaft als Wille und Vorstellung (Greenpeace-Demo, Berlin, 21.6.2023)

Eine Zeitlang hat man ohnmächtige Bürger, die sich gegen die Raubzüge omnipotenter Investoren zur Wehr setzten und beispielsweise einen ins Erdreich gerammten Bahnhof, der wahrscheinlich nie in Betrieb gehen wird, zu verhindern versuchten, in den Staatsanbetermedien vom Spiegel bis zur Zeit als verhockte »Wutbürger« denunziert, weil sie frecherweise das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlung in Anspruch genommen hatten.

Der Begriff des Wutbürgers ist verschwunden, da offenbar selbst die letzten Trottel im vereint marschierenden Pressewesen irgendwann merkten, dass sich da ein »verfluchter Bruch in der Logik« (Henscheid: »Die Vollidioten«) auftat. Den Bürger, der die Schrottblätter ja kaufen soll, publizistisch niederzumähen, das schadet den geldlichen Bilanzen dann doch zu sehr.

In den folgenden Jahren schlichen sich die schwammigen Stigmata »Hass« und »Hetze« ein, wobei den Haltungsoberaufsehern in Hamburg, München und Berlin nicht ein einziges Mal auffiel, dass man, grundgesetzlich garantiert, hassen darf, wen oder was man will, und gegen dieses und jenes nach Kräften hetzen darf, wie der Tag lang ist. Ich hasse Regenwürmer und hetze jeden Morgen beim Vogelfüttern gegen die schmarotzenden Spatzen.

Dass sich dieses Land, das nur mehr ein von Blockwarten bevölkertes Plapperreich ist, eine Verfassungsbull­dozerdogge namens Faeser leistet, die entweder nie Jurisprudenz studiert oder alles einst Gelernte scholzomäßig vergessen hat, passt in ein grässliches Bild, dem wöchentlich neue degoutante Facetten hinzugefügt werden.

Von den Netzwerkzersetzungsgesetzesparagraphen und den »Meldestellen«, die allein modernde, kujoniersüchtige Hirne zu ersinnen vermögen, spricht schon kaum jemand mehr; von perversen staatlichen Erlassen und Hintergrundeinrichtungen, mit denen eine rassistische Sortiermeute, ein distinktionsgeiler Mob aus autosuggestiven Leberwürsten und Narzissmusnudeln unter den Bannern der Gendervergurkung und der sagenhaften »Vielfalt« ein betongraues Bunt durchzupeitschen trachtet, ein totales Exklusionsprogramm, an dessen Ende eine von allseitiger Propaganda durchdrungene, formierte, medial kartellierte Gesellschaft erstrahlen wird – ein Land als wilhelminische Erziehungsanstalt. Karl Liebknecht, geringfügig abgewandelt: »Die Medien sind die Vorschule der Kaserne.«

Den Feind im Inneren stellen: ihn drillen (Stichwort »Educate yourself!«) oder in Meinungsquarantäne stopfen, verbannen, löschen, inhaftieren. Komplementär den äußeren Feind ruinieren und liquidieren, inklusive seiner fünften Kolonne, der »von Putin gekauften Landesverräter und Faschisten« (Ex­tremist Hofreiter) und des »verlängerten Arms des Kreml« (rockin’ Ricarda L.).

Notabene: Ich möchte nicht »bereichert« werden, mir reicht die Welt. Ich will ebensowenig vom Hahnenschrei bis zum Sundowner »politisiert« werden. Ich brauche weder Anweisungen (im Kommandoton) noch hypokritischen Aktivismus. Bleibt mir weg mit eurem Dreck.

1964 hielt Franz Josef Strauß, nachdem er auf Grund seiner von einer dazumal funktionierenden Öffentlichkeit erzwungenen Demission 1962 (Spiegel-Affäre) Zeit für ein volkswirtschaftliches Schwindelstudium in Innsbruck gehabt hatte, im Bundestag seine berühmte Put-Put-Rede (über ökonomische Input- und Output-Prozesse). Heute fackeln die Demokratiediktatoren rund um die Uhr Putin-Putin-Reden ab, und niemand lacht diese geifernden Intellektualbomber und Habecksäcke coram publico aus, geschweige denn, dass man sie, wie der Ornithologe sagt, »anhasst«. Statt dessen scheint die Bevölkerung resigniert zu haben. Wer mag das auch alles noch aushalten.

Der Wutbürger, ich erwähnte es, ist passé. Ich schlage daher, in gewissermaßen herrschaftskritischem Übermut, die Einführung des Wortes »Machtwut« vor. Bei der Machtwut muss man nicht an den tyrannischen Gockel, den Mr. Metternich aus Brüssel, den die in ihrer Selbstergriffenheit ersaufende, korrupte, nepotistisch-despotische Raketengans von der Leyen gerade weggegrätscht hat, denken; also nicht an den von keiner Sau gewählten Impf-Mussolini, amoklaufenden Zensor und Desinformationsvulkan Thierry Breton, einen nichtsnutzigen Ex-CEO, der an seinem Überwachungsfuror irre ward. Sondern an die »rasenden Mitläufer« (Christian Schultz-Ger­stein) des finanziell-militärisch-technologischen Komplexes, an die Grünen und die Sozis zumal, die im Namen des vergammelten »Wertewestens« in unschuldiger Kooperation mit der keuschen Bertelsmann-Stiftung und dem sehr sauberen Bundesverfassungsschutz einen durch nichts legitimierten »Bürgerrat« des Titels »Forum gegen Fakes« installiert haben, um fürderhin die verdammte Falschinformationsschwemme, das heißt regierungsungenehme Äußerungen einzudämmen und wegzusperren – beziehungsweise deren Urheber.

Es ist gar zu glorios. Ein heldenhafter Apparatschik mit Edelattitüde namens Konstantin von Notz, ein Ritter des Totalitarismus, zähmt seinen Vernichtungswillen keinen Deut mehr. Er begehrt nun, die »Vorschläge« dieses Bürgerrates begeistert aufgreifend, »öffentliche Diskurse zu schützen«, also das lügengetränkte Geschwafel seiner Partei, und mithin abweichende Ansichten ihrer »destabilisierenden Wirkung« wegen strafrechtlicher Verfolgung zuzuführen sowie »anderweitige Sanktionierung« zu veranlassen.

Und angesichts dessen möchten wir Frau Ricarda Lang preisen, die jüngst bekannte, »dass wir nur eine Ideologie haben, und diese Ideologie ist die Wirklichkeit«. Und das dürfte fast Orwell im Wortlaut sein.

Nun gut, wir leben eben im JahrDerNachricht.de, und die nämliche .de-, das heißt Deppenkampagne der ARD, die u. a. in Fernsehspots befiehlt: »Vertraue Nachrichten, die stimmen statt Stimmung machen«, haut wirklichkeitsgesättigt schon volles Rohr hin.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Zöllfae (25. September 2024 um 10:39 Uhr)
    Sehr geehrter Herr Roth, ach tut das gut auf interlektueller Ebene sich mal auszukotzen. Es ist wichtig für die Psychohygiene um dann wieder Kraft zu haben, für das was man so tut, den einen Kieselstein in Bewegung zu setzen, der zur Lawine werden kann. Dazu braucht es neue Leser dieser Zeitung, die gierig und angewiesen auf diese Informationen sind, für ihren politischen Alltag. Es muss nur noch Matchen. Man könnte die KI fragen, wie und wo solche Leute zu finden wären? Wie das Profil dieser Leute ist? Wie eine Werbekampagne gemacht werden müsste. MfG

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