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Aus: Ausgabe vom 24.09.2024, Seite 2 / Kapital & Arbeit
Streiks in Gastronomie

»Wir verzeichnen unerwarteten Zuspruch«

Systemgastronomie: Nach gescheiterter Tarifrunde ruft Gewerkschaft NGG zu Warnstreiks auf. Ein Gespräch mit Mark Baumeister
Interview: Kristian Stemmler
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Fabrikarbeiter von Süßwarenherstellern streiken in Aachen (13.6.2023)

Die zweite Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag für die rund 120.000 Beschäftigten in der Systemgastronomie ist gescheitert. Sie rufen als Gewerkschaft NGG zu Warnstreiks auf. Für welche Betriebe gilt das?

Am Freitag haben wir bei Mc Donald’s in Hamburg gestartet. Am Sonnabend folgte dann ECP, das ist der Caterer in den deutschen Ferienparks von Center Parcs. Da machte der Standort Bispinger Heide in der Region Lüneburg den Auftakt. Weitere Warnstreiks sind etwa bei Nordsee und Burger King geplant.

Was hat die Unternehmensseite vorgelegt?

Die Arbeitgeber blieben bei ihrem Billigangebot von lediglich vier Prozent mehr pro Jahr zwischen 2025 und 2028. Die Erhöhungen sollen rund vier Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit von 48 Monaten betragen, in den Gruppen eins bis drei aber nur zwei Prozent pro Jahr. Ab 2028 würde es in Tarifgruppe eins nur 13,87 Euro pro Stunde geben. Damit machen sie die Systemgastronomie zur Niedriglohnbranche des Gastgewerbes.

Für mich ist das ein Tritt in den Hintern, eine Rückkehr zu »Mc Job«. Das Management argumentiert, dass die unteren Entgeltgruppen für sie »Chancengebergruppen« seien, in denen zum Beispiel Geflüchtete arbeiten können. Aber ich kriege Blutdruck, wenn versucht wird, Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, auszunutzen. Viele Mitarbeiter in der Systemgastronomie arbeiten zu Niedriglöhnen, knapp über dem Mindestlohn. Nach den extremen Preissteigerungen der letzten Jahre haben sie einen massiven Nachholbedarf bei den Löhnen.

Die Arbeit in der Systemgastronomie ist ja keine einfache.

Es sind anstrengende und anspruchsvolle Tätigkeiten. Die Kollegen haben Wochenendarbeit, Schichtarbeit, Arbeit in der Nacht und an Feiertagen. Und wenn Sie das mit der normalen Gastronomie vergleichen: Wer da in der untersten Entgeltgruppe ist, der ist in der Regel Spülkraft oder Servicekraft, übernimmt also ganz einfache Tätigkeiten. In der Systemgastronomie wird dagegen erwartet, dass die Mitarbeiter alles machen: die Burger belegen, kassieren, die Klos reinigen etc. Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass die einzelnen Tarifgruppen durchlässiger werden, man schneller aufsteigen kann. Das ist für uns eine zen­trale Forderung. Doch die Unternehmerseite hat das abgebügelt – jeder soll weiterhin alles können, jeder soll ausgebeutet werden.

Wie lauten die Forderungen der NGG?

Wir fordern 15 Euro pro Stunde Einstiegslohn in Tarifgruppe eins sowie 500 Euro mehr im Monat für alle Beschäftigten ab Tarifgruppe zwei, außerdem eine Einmalzahlung von 500 Euro für NGG-Mitglieder. Ich weiß, das Ergebnis wird schwer zu erreichen sein, aber es muss etwas passieren, zumal der gesetzliche Mindestlohn weiter erhöht werden wird. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen. Eine Laufzeit von vier Jahren ist deutlich zu lang. Das Management will damit das unternehmerische Risiko auf seine Beschäftigten abwälzen.

Warum bewegt sich die Unternehmerseite nicht?

Die Systemgastronomie soll ganz bewusst Schlusslicht im Gastgewerbe bleiben. Jeder Tarifvertrag mit der Dehoga, dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, den wir in den Ländern abschließen, ist besser in den untersten Einstiegsgruppen als das, was die sich da leisten. Wir sagen: Wer eine »Chancengeberbranche« sein will, der darf keine schlechten Löhne zahlen.

Wie schätzen Sie die Kampfbereitschaft der Beschäftigten ein?

Das ist in der Branche traditionell immer ein schwieriges Thema. Wir waren in der Vergangenheit nicht über einen langen Zeitraum kampfbereit und auch nicht überall. Aktuell nehme ich aber wahr, dass wir einen unerwarteten Zuspruch verzeichnen. Also da passieren Dinge: In Brandenburg organisiert sich zum Beispiel auf einmal die Belegschaft einer Burger-King-Filiale und will streiken. Wir sind sicher nicht flächendeckend kampffähig, aber dort, wo wir es sind, werden wir stärker. Ich bin nicht bereit, einen schlechten Tarifvertrag abzuschließen. Einen Tarifvertrag, der den Menschen den wirtschaftlichen Anschluss verweigert, den wird es mit uns nicht geben. Wir richten uns auf kraftvolle Warnstreiks ein, um den Druck im Vorfeld der dritten Runde zu erhöhen.

Mark Baumeister ist Verhandlungsführer der Gewerkschaft NGG bei den Tarifgesprächen in der Systemgastronomie

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