Verhandlungen, zäh wie Maoam
Von Susanne KnütterFür das Bonner Haribo-Werk war es der erste Streik in der Firmengeschichte. Dort legten am 13. September die Kollegen erstmals die Arbeit nieder. Das ist sehr gut. Das heißt aber nicht, dass es der erste Streik bei Haribo seit 102 Jahren überhaupt war. Im Maoam-Werk in Neuss gab es immer wieder Ausstände. So auch am Montag. Es war der zweite Streik im Rahmen der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der deutschen Süßwarenindustrie. »Die Kollegen in Neuss sind die Gallier im Haribo-Konzern«, erklärte die Geschäftsführerin der NGG-Region Krefeld-Neuss, Claudia Hempel, am Montag gegenüber jW. Die Beschäftigten dort hätten ein »starkes Gefühl dafür, dass es ein Unding ist, wenn sie trotz Vollzeitbeschäftigung mit Bürgergeld aufstocken müssen. Und gleichzeitig gehört die Unternehmensfamilie Riegel zu den reichsten Deutschlands.«
In dem Neusser Kaubonbonwerk arbeiten besonders viele Frauen, etwa in der Verpackung. »Von 2.800 Euro brutto kann man als Alleinerziehende nicht leben«, verdeutlichte Hempel das Problem. Entsprechend hoch sei die Streikbeteiligung gewesen. Von 300 Kolleginnen und Kollegen nahmen laut Hempel bis Montag nachmittag 160 teil. In den ersten beiden Schichten kamen die Bänder daher vollständig zum Stillstand.
Gegenüber der Presse demonstrierte der Haribo-Konzern am Montag Überraschung und Gelassenheit zugleich. »Da sich Arbeitgeber und Gewerkschaft darauf geeinigt hatten, im Frühherbst weiterzuverhandeln, überraschen uns die verschärften Maßnahmen, wir verstehen sie aber als Teil eines Arbeitskampfes und nehmen diesen zur Kenntnis«, erklärte ein Sprecher des Unternehmens gegenüber jW. Man sei »zuversichtlich, dass beide Seiten über den Verhandlungsweg zu einvernehmlichen Lösungen finden werden«.
Von dieser Gelassenheit spürten die Streikenden in Neuss bisher allerdings wenig. Hempel spricht von »harten Gegenmaßnahmen«. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass die Beschäftigten nicht auf das Grundstück gelassen wurden. Am Montag seien auch beim Werksverkauf, einem Geschäft neben dem Maoam-Werk, »auf öffentlicher Kommunikationsfläche« Sicherheitsleute aktiv gewesen, die den Kollegen sogar das Parken untersagten. Und: Die Geschäftsführung habe vorsorglich das Haribo-Schild von der Fabrik abnehmen lassen, um Negativbilder zu vermeiden. Das war nicht ganz zu Ende gedacht, denn die Streikenden posierten für die Presse statt dessen vor einem der großen Haribo-Goldbären, die dort bei Wind und Wetter die Stellung halten.
Die Kolleginnen und Kollegen in Neuss sind zäh wie das Produkt, das sie herstellen. Sie sind auf jeden Fall bereit, wieder in den Ausstand zu treten, so Hempel. Etwa, wenn der Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) in der dritten und entscheidenden Verhandlungsrunde im Oktober kein besseres Angebot vorlegt. Der findet seine Offerte aber nach wie vor völlig ausreichend, wie der BDSI am Montag erklärte. Für das Tarifgebiet NRW hätten die Unternehmen »eine faire Erhöhung der Vergütung um insgesamt fünf Prozent für eine Laufzeit von 24 Monaten in zwei Stufen angeboten«, 2,8 Prozent rückwirkend zum 1. Juli dieses Jahr und noch mal 2,2 Prozent ab 1. Juli nächstes Jahr. Das Angebot sei »deutlich über der Inflationsrate, die derzeit bei 1,9 Prozent liegt«.
Weitere Streiks bei Haribo träfen in doppelter Hinsicht den Richtigen. Denn Verhandlungsführer des BDSI für NRW ist Axel Scholz – Senior Vice President von Haribo für Personalwesen.
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