Kenianer im Dilemma
Von Lorna Likiza, MombasaKenia und die BRD haben am 13. September ein sogenanntes Migrationsabkommen unterzeichnet, um vor allem Fachkräfte abzuwerben. Insgesamt soll es sich um rund 250.000 Menschen handeln, während auf der anderen Seite die »Rückführung« kenianischer Einwanderer erleichtert werden soll. Aber was sind die Auswirkungen dessen auf die Ökonomie und die Beschäftigungssituation in dem ostafrikanischen Land?
Nach offiziellen Angaben stoßen jährlich etwa eine Million junge Menschen auf den kenianischen Arbeitsmarkt. Diese Zahl sei ausreichend, um den heimischen wie internationalen Arbeitsmarkt zu versorgen, heißt es von Präsident William Ruto. Einem Bericht der Weltbank zufolge lag die Erwerbslosenquote in Kenia im Jahr 2023 bei 5,7 Prozent; allerdings liegt die Zahl der informell Beschäftigten jenseits des Agrarbereichs bei 81 Prozent. Die Auswanderung junger kenianischer Fachkräfte und angelernter Beschäftigter steigt dabei stetig. Ziele sind vor allem die Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch Deutschland oder Großbritannien. Infolgedessen sind die Überweisungen der Diaspora in Kenia derzeit der zweithöchste Anteil an ausländischen Geldern. Im Jahr 2022 beliefen sich die sogenannten Remittances auf rund 5,77 Milliarden US-Dollar, was 3,9 Prozent des kenianischen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Das Land profitiert also immer noch von der Abwanderung.
Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) berichtet, dass durchschnittlich über 50 Prozent der Remittances weltweit in ländliche Gebiete fließen. Dort leben drei Viertel der armen und von Hunger bedrohten Bevölkerung. Nach Angaben der kenianischen Zentralbank haben die Überweisungen von Kenianern, die im Ausland leben und arbeiten, über die Jahre hinweg stetig zugenommen und machen derzeit den Großteil aller Devisen aus, die das ostafrikanische Land jährlich erwirtschaftet. Doch so wichtig die Überweisungen für das Wirtschaftswachstum auch sind, die ständige Abwanderung einiger der besten und erfahrensten Arbeitskräfte Kenias kann zu einem erheblichen Mangel an qualifiziertem Personal im Lande führen.
Eine Situation, die bereits im Gesundheitssektor des Landes zu beobachten ist. Mediziner nehmen vermehrt Jobs im Ausland an, wo ihnen bessere Gehälter, Karrieremöglichkeiten und Arbeitsbedingungen zugesichert werden. Sie gehen meist nicht, weil sie es wollen, sondern weil die Bedingungen im Land ihnen nicht die Möglichkeit geben, zu bleiben und ihren jeweiligen Gemeinschaften zu dienen. Bekanntermaßen werden zudem oft die erfahrensten Ärzte ausgewählt, um im Ausland zu arbeiten. Während der jüngsten Proteste in Kenia im Juni kampierten Assistenzärzte vor den Büros des Gesundheitsministeriums in Nairobi und forderten ihre Entlohnung entsprechend dem Tarifvertrag ein sowie die Einsetzung notwendiger Arbeitskräfte in der medizinischen Versorgung.
Junge Frauen, die zum Arbeiten als Hausangestellte in die Golfstaaten gehen, werden dort oft ausgebeutet. Einmal angeworben, geraten viele von ihnen in schreckliche Situationen, die oft zu dauerhaften Traumata und im schlimmsten Fall zum Tod führen. Wie die Mediziner sind auch diese Kenianerinnen auf der Suche nach besserer Bezahlung, doch wenn es um bessere Arbeitsbedingungen geht, ist das normalerweise ein Glücksspiel. In Kenia ist es nicht ungewöhnlich, in einem Job zu landen, auf den man sich nicht spezialisiert hat, weil es der einzig verfügbare ist. Angesichts von verbreiteter Unterbezahlung und Vetternwirtschaft ist es klar ersichtlich, dass das ostafrikanische Land noch einen weiten Weg vor sich hat, wenn es um die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit geht.
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