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Aus: Ausgabe vom 24.09.2024, Seite 7 / Ausland
Sri Lanka

Wechsel in Colombo

Kandidat von Linksbündnis ist neuer Präsident Sri Lankas. Dissanayake kommt aus marxistischer Studentenbewegung und will IWF Paroli bieten
Von Thomas Berger
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Lange Erfahrung als Aktivist und Abgeordneter: Dissanayake grüßt seine Anhänger am Sonntag in Colombo

Sri Lanka hat ein neues Staatsüberhaupt: Am Montag morgen (Ortszeit) ist der Marxist Anura Kumara Dissanayake als neunter Präsident des südasiatischen Inselstaates vereidigt worden. Überraschend deutlich hatte er am Sonnabend als einer von 38 Kandidaten die Wahlen für das höchste politische Amt gewonnen, das in Sri Lanka mit umfangreichen Vollmachten (Executive Presidency) ausgestattet ist. Damit deutet sich in Colombo in nächster Zeit ein Politikwechsel an. AKD, wie er oft verkürzt genannt wird, kündigte am Sonntag zeitnah Parlamentswahlen an, ohne bisher einen Termin zu nennen. Seinem Bündnis aus 21 linken und Mitte-links-Parteien, der National People’s Power, wird es darum gehen, ihre bisher bescheidene Präsenz von lediglich drei der 225 Sitze zumindest deutlich auszubauen. Andernfalls deuten sich schwierige Regierungsverhältnisse an.

Abgeordneter war er bereits seit 2000. Noch 2019, als er einen ersten Anlauf auf das Präsidentenamt nahm, landete der Vorsitzende der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP, Volksbefreiungsfront) weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Diesmal war Dissanayake mit einer leichten Favoritenrolle ins Rennen gegangen und erreichte bei den Erststimmen 42,31 Prozent – ein solider Abstand zum Zweitplazierten, Oppositionsführer Sajith Premadasa. Der Chef der konservativen Samagi Jana Belawegaya, der schon 2019 gegen den vor zwei Jahren durch Massenproteste gestürzten Gotabaya Rajapaksa unterlag, holte zwar eine Mehrheit in vielen Wahlkreisen im Norden, Osten und südlichen Zentrum der Insel. In Summe waren es aber nur 32,76 Prozent. Ranil Wickremesinghe, im Sommer 2022 für den Rest der Legislatur vom Parlament eingesetzt, kam als Dritter immerhin auf 17,27 Prozent. Das ist mehr, als ihm in den meisten Umfragen in der ersten Jahreshälfte noch zugetraut wurde.

Da kein Bewerber unmittelbar mehr als 50 Prozent holte, wurden zusätzlich die Zweit- und Drittpräferenzen ausgezählt, eine Besonderheit des srilankischen Wahlrechts. AKD brachte dies weitere 105.000 und damit insgesamt 5,47 Millionen Stimmen gegenüber 4,53 Millionen für Premadasa, der 165.000 aus den weiteren Präferenzen dazugewonnen hatte. Die Wahlbeteiligung lag bei 75 Prozent. Nicht nur der Sieg Dissanayakes ist Ausdruck der Wechselstimmung im Land, das sich von seiner schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit der Unabhängigkeit 1948 noch immer nicht völlig erholt hat. Abgemeldet scheint nunmehr der Rajapaksa-Clan, der mit Mahinda Rajapaksa (Präsident 2005–2015) und Bruder Gotabaya (2019–2022) sowie weiteren Verwandten in hohen Ämtern über große Strecken der vergangenen zwei Jahrzehnte die Macht in seinen Händen konzentrierte. Mahindas Sohn Namal Rajapaksa von der sozialliberalen Sri Lanka Podujana Peramuna holte nur noch magere 2,5 Prozent.

Der neue Präsident stammt aus einfachen Verhältnissen. Der Vater des 55jährigen war Tagelöhner, seine Mutter Hausfrau. Der Junge aus Anura­dhapura, der historischen Hauptstadt der Insel, war der erste Schüler seines Colleges, der es zur Uni schaffte. Schon 1987 trat er der linken JVP bei, machte sich früh einen Namen in der marxistischen Studentenbewegung. Viele der heute 22 Millionen Einwohner Sri Lankas sind seit 2022 neu in die Armut abgerutscht. Wie es sich anfühlt, wenn das Geld zu Hause nicht bis zum Monatsende reicht, weiß der neue Präsident aus seiner eigenen Kindheit. Dissanayake will die Folgen des Kürzungskurses infolge des IWF-Notkredits sozial abfedern und steht den geplanten Privatisierungen von bisherigen Staatsbetrieben zumindest kritisch gegenüber.

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