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Aus: Ausgabe vom 24.09.2024, Seite 10 / Feuilleton
Jubiläum

Bis die Schrauben einwachsen

Einer hält gegen: Der Transportökonom und China-Kenner Uwe Behrens wird 80
Von Frank Schumann
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Vorurteilen vorbeugen: Uwe Behrens mit seiner Frau Wei Lan

Auch wenn man ein stabiles politisches Rückgrat hat, kann es vorkommen, dass es mal repariert werden muss. Unter Umständen sogar in China. Wochenlang war Uwe Behrens mit seiner chinesischen Frau kreuz und quer durchs Land und bis zu den Uiguren gereist, um die Frage zu beantworten, wie ein Staat 800 Millionen Menschen aus der Armut befreien kann und was dies konkret bedeutet. Sein Neujahrsgruß kam aus 4.000 Meter Höhe im Pamir und im Mai die Nachricht aus Beijing, dass er flachliege. Er warte darauf, dass die acht Schrauben, die ihn jetzt zusammenhielten, »einwüchsen«.

Nun, das dauerte Monate. Viel Zeit, um intensiver als jeder andere die chinesische Presse, das Internet und das Fernsehen zu studieren. Die Schwiegermutter hatte ihm einen quadratmetergroßen Bildschirm an die Wand schrauben lassen, auf dem er von seiner Lagerstatt das Weltgeschehen verfolgen konnte. So ist das mit der Dialektik: Der Verlust an Mobilität bescherte ihm zugleich einen enormen Gewinn an Erkenntnissen.

Als Uwe Behrens im August nach Berlin zurückkehrte, besaß er vermutlich so viel aktuelles Wissen über China wie gegenwärtig kein zweiter Deutscher. Das wird nun alles in seinem dritten Buch verarbeitet, welches im kommenden Frühjahr erscheinen soll.

Seine Kompetenz bei diesem Thema hatte Behrens bereits mit zwei Publikationen nachgewiesen (»Feindbild China« und »Der Umbau der Welt«, beide Edition Ost). Der promovierte Transportökonom hatte nach dem Ende der DDR 27 Jahre in der Volksrepublik gelebt und gearbeitet. Zunächst als Angestellter einer westdeutschen Spedition (»Sie kennen sich mit den Kommunisten aus, Sie sind schließlich selbst einer«), dann als Geschäftsführer von verschiedenen in China und Indien tätigen Logistikunternehmen.

Behrens begann das China-Bashing in seiner Heimat zunehmend zu ärgern. Die von Unwissen und Vorurteilen beherrschte Berichterstattung in den meisten Medien offenbarte die Heuchelei der Bundesrepublik: Einerseits brauchte sie China als Markt und Zulieferer, andererseits bekämpfte sie das Land aus ideologischen Gründen. Dabei zeigte sich die BRD einmal mehr als williger Partner der USA, der niedergehenden Führungsmacht des Westens, die, was sich abzeichnete, in absehbarer Zeit ihren Spitzenplatz an China wird abgeben müssen. Das sollte und soll mit allen Mitteln verhindert werden, notfalls auch mit militärischen. Die politische Bundesrepublik tut tapfer mit. Die medialen Sturmgeschütze der Demokratie feuern aus allen Propagandarohren, der Chor der Hiwis, Kollaborateure, Berufsdissidenten und Lügner vor der Bezahlschranke sangen und singen das schrille Lied von der Autokratie und der Abwesenheit von Menschenrechten.

Uwe Behrens schreibt mit Leidenschaft und Überzeugung dagegen an. Mit beachtlicher Resonanz. Es folgten Einladungen von Einrichtungen zwischen Alpen und Ahrenshoop, denn es mehren sich die Zweifel, dass das hierzulande offiziell verbreitete China-Bild der dortigen Wirklichkeit entspricht. Mitnichten, wird Behrens nicht müde, zu behaupten. Denn er weiß es besser als alle anderen. Er ist kein vermeintlicher, sondern ein tatsächlicher China-Kenner. Dazu begab er sich sogar unters Messer, wie wir sahen. Als Patient, nicht als Kunde. Allerdings wäre es ein wenig übertrieben zu behaupten, es habe sich um eine Art Selbstversuch gehandelt. Aber auch die Hospitalerfahrung bescherte Erkenntnisgewinn. Wir werden bald darüber lesen.

Am Dienstag wird Uwe Behrens 80 Jahre alt. Wir gratulieren und trösten den ambitionierten Hochsee­segler und Langstreckenläufer, weil der nächste Marathon noch ein wenig auf ihn warten muss.

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