Hörer verhöhnen
Von Pierre Deason-TomoryEs braucht nicht AfD und Union, um das Kulturradio zu demontieren, das besorgen die Chefs der Sendeanstalten selbst. Seit Montag schalten die ARD-Kulturwellen ihre Abendprogramme an vier bzw. fünf Wochentagen zusammen, eine ganze Reihe von Sendungen wurde eingespart, darunter auch der Klassiker »Zeiglers wunderbare Welt des Pop« auf Bremen zwei. In Ihrer Pressemitteilung vom 13. September will die ARD von Einschnitten nicht reden und freut sich: »Künftig tauschen (die Sender) untereinander das Beste aus Redaktionen und Studios des öffentlich-rechtlichen Verbunds aus.« So spricht man in Schildastan, wo die Regierung erklärt, dass Verfolgte durch Grenzkontrollen und Abschiebungen noch besser geschützt würden. Medienexperte Heiko Hilker bezweifelt die Legitimation der Zusammenschaltungen: »Alle diese Wellen haben einen gesetzlichen, regional bezogenen Auftrag. Mit dieser Reform werden sie streckenweise zu einem bundesweiten Programm, ohne Auftrag.« Hilker vertritt den Deutschen Journalistenverband (DJV) im Rundfunkrat des MDR, der »seine Radioprogramme schon seit Jahren entwertet«, wie Hilker am 7. September in einem Gastbeitrag für die Sächsische Zeitung schrieb. »Der Sender wird dem Kulturauftrag medienübergreifend nicht gerecht. Da hilft es auch nicht, den Kulturbegriff etwa um Bodybuilding zu erweitern.« Im Gespräch mit junge Welt verwies er auf die Kraftsportserie »Pumpin’ Beauty«. Die hat die MDR-Hauptredaktion Kultur in Auftrag gegeben.
Programmvorschläge: 1993 wurde die DDR-Lesbenzeitschrift Frau anders eingestellt. Im Hörstück »Kontaktanzeigen« von Mike Dele Dittrich Frydetzki, Judith Geffert und Jule Gorke wollen queere Ostdeutsche aus drei Generationen das Magazin neu auflegen (DLF Kultur 2024, Ursendung, Di., 20.10 Uhr, DLF). Im »Zeitfragen«-Feature erzählt Ulrich Land »Eine Geschichte der Kindheit«, nachdem er die Kurzen in Burgverliesen, Fabriken und Lockdowns besichtigt hat (Mi., 19.30 Uhr, DLF Kultur). »Nobody’s Nothings« ist eine Fiktion des Autorenpaares Tauchgold, in dem zwei tragische Figuren postum auf ihr Leben zurückblicken, in dem sie als Eleonora und Francesco Mendelssohn im Vorkriegsberlin ab- und später in den USA zugrunde gegangen sind (RBB 2024, Ursendung, Fr., 19.05 Uhr, Sa., 14.05 Uhr, Radio 3). Etwas später läuft im »Bayern-2-Salon« das Hörspiel »Unser Oskar. Eine Sprachoper für Oskar Maria Graf«, 2003 in der Bayerischen Staatsoper aufgeführt von Andreas Ammer (Fr., nach 20.03 Uhr).
Das feministische Radiofestival »Claim the Waves« überträgt am Wochenende das Grazer Freie Radio Helsinki (Sa., 12.00–23.00 Uhr). Währenddessen unternimmt Ö 1 einen Parforceritt in die Abgründe des abendländischen Patriarchats in »Xerxes und die Stimmen aus der Finsternis« von Magda Woitzuck (HR, ORF 2021, Sa., 14.00 Uhr). Von besagten Abgründen kann auch Antonia Stabinger ein Couplet singen, in ihrem neuen Programm »Angenehm« tut es die »Flüsterzweieck«-Hälfte erstmals solo (Sa., 19.05 Uhr, So., 21.30 Uhr, Ö 1). Weil uns an dieser Stelle die Frauensendungen ausgegangen sind, fahren wir fort mit dem Kinderhörspiel »Der Meteoritensauger« von Helmut Peters, in dem der Einsatz des genannten Apparillos die Verhältnisse umkehrt und nun die Kinder die Eltern ins Bett schicken (NDR 2014, So., 7.05 Uhr, NDR Kultur). Und: Hermann Ottos Stück »Havanna, Havanna, Zigarren, Zigarren« schickt uns mitten unter die armen Zigarrenmacher vor 120 Jahren in Altona, die beim Drehen sangen, wie sie redeten. Niederdeutsch (NDR, RB 2002, So., 18.05 Uhr, Bremen zwei).
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