VW: Sparen, bis es knallt
Von Susanne KnütterDerzeit kommt eine Kampfansage nach der anderen aus dem Volkswagen-Konzern. Das jüngste Manöver fand einen Tag vor der ersten Verhandlungsrunde mit der IG Metall diesen Mittwoch statt. An allen sechs westdeutschen Standorten ließ das Management Flugblätter verteilen, in denen die Belegschaft zu Zugeständnissen aufgefordert wird. Darin stehen die üblichen Forderungen: »Wir müssen die Produktivität steigern. Wir müssen unsere Arbeitskosten senken.« Denn Volkswagen produziere »in Deutschland zu teuer«. Außerdem habe der Konzern mit Überkapazitäten zu kämpfen. Genauer wurde man im Firmenflyer nach Angaben von dpa nicht. Was der Konzern genau damit bezweckte, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden.
Klar ist nur, die Stimmung in der Belegschaft ist kämpferisch, wie die erste Bevollmächtigte der IG Metall in Emden, Franka Helmerichs, am Dienstag gegenüber jW sagte. Vom VW-Standort Emden werde man am Mittwoch mit fünf Bussen nach Hannover reisen, wo die Gewerkschaft mit dem VW-Management zusammentrifft. »Das ist eine hohe Anzahl, wenn man bedenkt, dass wir uns noch nicht im Warnstreik befinden.« Die Kollegen nähmen dafür Urlaub. Und dann macht die Gewerkschafterin deutlich, was auf dem Spiel steht. Es handle sich bei den VW-Verlautbarungen nicht allein um Drohungen, sondern um eine existentielle Bedrohung. Allein in Ostfriesland hingen 20.000 Haushalte an VW.
Was sich der Konzern genau vorstellt, hofft die Gewerkschaft nach eigenen Angaben nun in den Verhandlungen zu erfahren. Denn der Konzernvorstand habe zwar eine Reihe von Tarifverträgen – u. a. zur Beschäftigungssicherung, Ausbildung und Leiharbeit – gekündigt. Aber damit waren keine klaren Forderungen verbunden, so Helmerichs. »Was ist das Konzept?«
Das könnte man wohl zusammenfassen mit »sparen, bis es knallt«. Und VW macht das auch bei jeder Gelegenheit deutlich. Bis Jahresende solle ein entsprechendes Paket aufgesetzt sein. Am Montag erklärte VW-Chef Oliver Blume, dafür werde man »über alle Kostenarten« gehen: Entwicklungskosten, »Herstellungskosten, wo die Arbeitskosten eine große Rolle spielen werden«, Vertriebskosten. Immer wieder kursieren unterschiedliche Zahlen über Stellenstreichungen. Und klar ist, wenn der Konzern so viele Tarifverträge kündigt, allen voran den »Zukunftstarifvertrag für Beschäftigungssicherung«, den die »Sozialpartner« in den 1990ern für Krisensituationen vereinbart hatten, will er Stellen streichen. Ansonsten könnte es teuer für Volkswagen werden. Der Zukunftstarifvertrag bot bislang vor allem dem Konzern Flexibilität. Mehrarbeit war einfacher anzuordnen, Zuschläge wurden vorenthalten. Wird der Tarifvertrag nicht mehr angewendet, müssen alte Leistungen wieder gezahlt werden.
Die IG Metall will die Tarifverträge wieder schließen und dabei Entlassungen und Werksschließungen unbedingt vermeiden. Statt Streichungen hält sie etwa langfristige Investitionen für angebracht. Beispielsweise in eine eigene Batteriefertigung, wie sie schon einmal angedacht war. Das würde die Kosten senken, ist Helmerichs sicher. Und vielleicht bei der Produktion günstiger Elektroautos helfen? VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo jedenfalls wies in einer Betriebsratsinfo Anfang September darauf hin: Die Senkung der Arbeitskosten wird die Krise bei VW nicht lösen. Allerdings: Auch diese Einsicht muss erkämpft werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (25. September 2024 um 06:57 Uhr)Kapitalismus pur. Einerseits werden Anfang dieses Jahres 4,5 Milliarden Euro an Dividende ausgeschüttet, andererseits will man aus Kostengründen Werke dicht machen und Arbeiter entlassen. Allein die Porsche-Holding im Besitz der Familien Porsche und Piech hält 31,6 Prozent der Aktien. Daneben hält das Land Niedersachsen 20 Prozent der Aktien. Der Rest verteilt sich in sogenannte institutionelle Anleger und Aktien im Streubesitz. Alle bekommen entsprechend ihrem Anteil ein Stück vom Kuchen. Das heißt, dass z. B. die Familien Porsche und Piech fast 1,5 Milliarden bekommen. Es ist ein nahezu ideales Beispiel für die Umverteilung von unten nach oben. Oder anders ausgedrückt – Gewinne werden privatisiert, die Verluste werden der Gesellschaft aufgebrummt. Herr Habeck will die VW AG mit Steuermilliarden stützen. Holen sie sich das Geld von den Anteilseignern zurück! Und Herr Lindner – es ist Zeit für eine Vermögenssteuer! Insgesamt muss man über eine Neustrukturierung der Schlüsselindustrien nachdenken, damit der Gewinn allen zugutekommt. VW hat im Jahr 2023 22,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Warum muss die Gesellschaft jetzt mit Steuergeld beispringen? Und warum müssen Arbeiter und Angestellte für eine weitere Erhöhung des Gewinns bluten? Rein rechnerisch sollte das obere Management bei VW sich doch zurücklehnen können. Dieses Jahr erwartet der Vorstand Oliver Blume ein Gehalt jenseits der 10-Millionen-Euro-Marke. Verzichtet er auf einen Teil davon? Ich glaube nicht. Aber die Arbeiter werden zum Verzicht geprügelt – es wird die Angst vor Massenentlassungen geschürt. Das wird manchen der Kollegen dazu bringen, einen Änderungsvertrag zu unterschreiben, der mit Gehaltsverzicht endet. Das muss aufhören! Meine Solidarität gilt den Kolleginnen und Kollegen im ganzen Konzern. Kämpft um eure Rechte!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (25. September 2024 um 13:59 Uhr)Wenn wir wirklich Kapitalismus pur erleben, dann wird man sich beim Versuch, dem Kapital ein Stück vom Profit wegzunehmen, eher den Arm rausreißen, als Erfolg zu haben. Wenn es wirklich Kapitalismus pur ist, dann ist der Staat ein Diener der Monopole, dem eher die Hand abgehackt wird, bevor er seinem Herrn etwas wegnehmen könnte. Auch noch so markige Worte können nichts an dieser Situation ändern. Die markigen Worte werden lediglich dann nützlich, wenn sie möglichst vielen Menschen helfen zu verstehen, wie irrsinnig Kapitalismus pur ist. Denn erst dann entsteht die Chance, die Verhältnisse wirklich zu verändern: Wenn es wirklich Massen sind, die unter diesem täglichen Irrsinn nicht mehr leiden wollen. Viel einfacher ist diese Veränderung leider nicht zu haben.
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