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Aus: Ausgabe vom 25.09.2024, Seite 2 / Inland
75 Jahre Volksrepublik China

»Genau dies wollen wir aufbrechen«

Bayern: Autonome Gruppe will mit Veranstaltungen zu 75 Jahre VR China gängige Vorstellungen kontern. Ein Gespräch mit Gudrun Lillert
Interview: Hendrik Pachinger, Nürnberg
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Zeremonie mit Mitgliedern von Jugendgruppen und Studenten am Golden Bauhinia Square in Hong Kong (14.9.2024)

In Nürnberg startet am Freitag eine Veranstaltungsreihe anlässlich des 75jährigen Jubiläums der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949. Danach wird es Termine in weiteren Städten geben. Was möchten Sie damit erreichen?

China ist heute wieder eins der bedeutendsten Länder der Erde. Verlässliche Informationen in den sogenannten Qualitätsmedien sind rar gesät. Es überwiegt antichinesische Propaganda mit einem immer mitschwingenden rassistischen, antikommunistischen Unterton. Nicht zuletzt deshalb sind in der Bevölkerung, aber auch in dem, was man die »Linke« nennt, mitunter ziemlich verquere Vorstellungen von China vorherrschend. Die derzeitige weltpolitische Lage macht es notwendig, zu einem differenzierteren Bild zu kommen.

Dazu sollen offenbar auch die geplanten Debatten dienen. Sind die Fronten beim Thema China nicht sehr oft zu verhärtet?

Genau dies wollen wir aufbrechen. Der Grund dieser »Verhärtung« ist meist auf eklatante Fehlinformationen zurückzuführen. Selbstverständlich gibt es Leute, von rechts wie von links, die grundsätzliche, ideologische Probleme mit China haben. Die wollen wir zumindest zum Nachdenken bringen, denn auch deren Ressentiments beruhen zum großen Teil auf Unkenntnis.

Weshalb ist dieser Jahrestag überhaupt ein Anlass für autonome Gruppen wie den »Prolos«?

Der Jahrestag sollte für antiimperialistisch gesinnte Linke zumindest ein Anlass sein, die Erfolge der chinesischen Revolution zu würdigen. Das chinesische Volk hat unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas, KPCh, viel erreicht. Es hat das koloniale und imperialistische Joch abgeschüttelt, die japanische Aggression in die Schranken gewiesen, den Sieg im Volkskrieg gegen die reaktionär, faschistische Guomindang davongetragen und schließlich die sozialistische Revolution begonnen. Nach Ausrufung der Volksrepublik China 1949 durch Mao Zedong wurde unter anderem das Analphabetentum abgeschafft, die Emanzipation der Frau wesentlich durchgesetzt, die absolute Armut besiegt und eine Gesellschaft des bescheidenen Wohlstandes aufgebaut. Heute ist China wirtschaftlich wie technisch eins der führenden Länder der Erde. Die Menschen in China haben davon in der Masse ungemein profitiert.

Das klingt, als ob alles in Butter sei.

Nein. China hat, auch nach Aussagen der KPCh, noch einen weiten Weg zur Verwirklichung des Sozialismus vor sich. China befindet sich derzeit in der Phase der »sozialistischen Marktwirtschaft«. Daraus ergeben sich nach wie vor unzählige gesellschaftliche Widersprüche, die von der KPCh durchaus benannt werden. Ob sie damit Erfolg hat, wird die Zeit zeigen.

Welche Gefahren sehen Sie für weiteren Fortschritt?

Der rasante Aufstieg aus eigener Kraft ist beispielgebend für alle arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt. Deshalb verfolgen die Imperialisten China und versuchen, seine Fortschritte mit allen wirtschaftlichen und militärischen Mitteln zu behindern – durch antichinesische Propaganda, wirtschaftliche Blockaden oder militärische Provokationen.

Was, wenn diese Imperialisten damit Erfolg haben sollten?

Die Folgen wären katastrophal. Schon nach Ende der Sowjetunion und des Warschauer Pakts konnte man die hemmungslose Aggression der Imperialisten gegen die eigene Arbeiterklasse und gegen die Länder des Trikonts miterleben. Mittlerweile existiert durch China wieder eine gangbare Alternative für Wirtschaftsbeziehungen der Entwicklungsländer, ganz im Gegenteil zu den ausbeuterischen Praktiken der ehemaligen Kolonialisten. China wird mehr und mehr zum Regulat, an dem sich die Imperialisten messen lassen müssen.

Worin sehen Sie vor diesem Hintergrund die Aufgabe der hiesigen Linken?

Egal, wie man zu China im einzelnen steht, die Imperialisten dürfen mit ihrer Politik nicht durchkommen. Weder mit ihrer wirtschaftlichen Blockadepolitik noch mit ihren militärischen Machtspielen. Für viele Länder des globalen Südens stellt China den Schlüssel für die eigene Entwicklung dar. Chinesische Technik – gerade im Bereich Ökologie, von E-Autos bis zu Solarpaneelen – bietet günstige Lösungen auf höchstem Niveau. Als Linke dürfen wir uns nicht kirre machen lassen. Wir müssen uns allen Propagandalügen sowie militärischen Drohgebärden entschlossen entgegenstellen.

Gudrun Lillert ist ­Sprecherin der Nürnberger linksautonomen ­Gruppe »Prolos«

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