Warnung vor dem Bruch
Von Philip TassevNicht erst seit der Blamage bei der Landtagswahl in Brandenburg fürchten zahlreiche Mitglieder der FDP, das Festhalten an der Ampelkoalition werde ihre Partei in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit stürzen. Dementsprechend werden Forderungen laut, dem Elend ein Ende zu bereiten und die Zusammenarbeit zu beenden. »Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen«, meinte etwa der bayerische FDP-Chef Martin Hagen zur Augsburger Allgemeinen. Die Freidemokraten hatten bei den Wahlen in Brandenburg am vergangenen Sonntag 0,8 Prozent der abgegebenen Stimmen geholt, Anfang des Monats in Thüringen 1,1 und in Sachsen 0,9 Prozent.
Aber der Austritt aus der Koalition und vorgezogene Bundestagswahlen könnten den Absturz vermutlich auch nicht bremsen. Aktuelle Umfragen sehen die FPD bundesweit bei drei bis vier Prozent. Davor warnte am Dienstag erneut der ehemalige Innenminister Gerhart Baum seine Parteikollegen. »Die FDP darf auf keinen Fall aus der Ampelkoalition aussteigen. Das wäre Selbstmord«, so Baum zur Rheinischen Post. »Wir würden bei Neuwahlen, denen erhebliche verfassungsrechtliche Hürden entgegenstehen, jetzt womöglich nicht mehr in den Bundestag kommen.« Baum, der Teil der Regierung von Helmut Schmidt (SPD) von 1978 bis 1982 war, kritisierte auch das Beharren auf der sogenannten Schuldenbremse. »Die Sorge um finanzpolitische Stabilität und um das Wirtschaftswachstum« sei zwar wichtig, dürfe »aber nicht das Hauptziel der Liberalen sein«.
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hatte noch kurz vor der Wahl in Brandenburg einen »Herbst der Entscheidung« ausgerufen. Am Montag, nach der Präsidiumssitzung seiner Partei, konkretisierte er die »drei Entscheidungsfelder dieses Herbstes«, in denen die Ampelregierung bis spätestens Weihnachten Veränderungen vornehmen müsse: Migrations-, Wirtschafts- und Haushaltspolitik. An diesen Fragen würden nicht nur die Wähler, sondern »auch wir als FDP die Regierung messen«. Lindners Frist ist damit immerhin deutlich länger als die zwei oder drei Wochen, die sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki der Regierung noch eingeräumt hatte. Das FDP-Vorstandsmitglied Michael Kruse drohte am Montag in der Bild-Zeitung in Richtung Grüne: »Die Regierung muss abliefern bei der Wirtschaftswende und der Neuordnung der irregulären Migration. Wenn die Grünen ihre Blockaden da nicht aufgeben, wird es für dringend notwendige Lösungen andere Mehrheiten geben.«
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil forderte die Liberalen am Montag zum Verbleib in der Regierung auf: »Die sind gewählt, und die haben einen Job zu erledigen in diesem Land.« Er hoffe, »dass niemand in der Koalition auf die Idee kommt, vor Verantwortung wegzurennen.« Auch der Fraktionschef der SPD, Rolf Mützenich, konnte am Dienstag »kein Ausstiegsszenario« erkennen und beklagte Lindners Äußerungen: »Es hilft doch niemandem, wenn man immer radikaler in der Sprache wird.«
Währenddessen ziehen die schwarzen Geier ihre Kreise über der taumelnden Ampelregierung immer enger. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sagte am Dienstag, es sei bekannt, »dass die FDP seit geraumer Zeit auf der Suche nach dem Notausgang« sei. Als »Sollbruchstelle« der Koalition bezeichnete er die Verhandlungen über den Bundeshaushalt für 2025. Für den Fall, dass die FDP aus der Regierung austritt, erwartet Frei allerdings keine vorgezogenen Wahlen, sondern bis zu den nächsten regulären Wahlen im September 2025 eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen. Die Union scheint sich dennoch auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Sie wolle ihr Wahlprogramm zwar erst im Januar verabschieden, so Frei, könne das aber jederzeit vorziehen.
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