Sozialdemokratisches Sowohl-als-auch
Von Marc BebenrothAls Sozialdemokrat wolle er die Friedensbewegung nicht »den Populisten« überlassen. Am Dienstag hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner erneut seinen geplanten Auftritt am 3. Oktober auf der Demonstration der Initiative »Nie wieder Krieg – die Waffen nieder« in Berlin verteidigt. Anlass war der am Montag veröffentlichte Aufruf von ihm und anderen Sozialdemokraten, an der Friedensdemonstration teilzunehmen. Noch am Montag hatten Befürworter einer Art Siegfrieden Kiews im Ukraine-Krieg Stegner beispielsweise vorgeworfen, nicht auf dem Roten Platz in Moskau Präsident Wladimir Putin zum Truppenabzug aufzufordern.
»Wo andere Naivität, Nationalpazifismus, Appeasement und mangelnde Moral sehen« oder wo »Bellizisten« und Anhänger einer Abschreckung durch Aufrüstung »Konjunktur haben«, wo Waffen »in alle Welt« exportiert werden sollen und »Militarisierung von Denken und Handeln, Sprache und politischer Prioritätensetzung vorherrschen«, sei es »um so wichtiger«, Alternativen zu formulieren, erklärte der Außenpolitiker am Dienstag auf Facebook. Stegner bejahte Forderungen nach »Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit« ebenso wie die nach »Unterstützung von Ländern, die angegriffen und überfallen werden«. Im Zweifelsfall sei er aber gegen eine »militärische Logik« als »Kompass und Maßstab« zur Konfliktlösung.
Die Sozialdemokraten verurteilen »den kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine« sowie »den terroristischen Überfall unter Führung der radikal islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023«. Beides sei »durch nichts zu rechtfertigen« – also weder durch die tödliche Kolonial- und Besatzungspolitik der Regierung(en) in Tel Aviv gegenüber den Palästinensern, noch durch den Bürgerkrieg Kiews gegen die russischsprachigen Gebiete im Donbass seit 2014 oder die drohende Ausdehnung der NATO-Kriegsallianz bis an die russische Grenze.
Die Unterzeichner, darunter der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, Bundestagspräsident a. D. Wolfgang Thierse, der Naturfreunde-Vorsitzende Michael Müller und Ex-SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, fordern die Lieferung von Flugabwehrwaffen in die Ukraine, aber auch »noch mehr intensive internationale diplomatische Anstrengungen«. Militärisch die russische Seite an den Verhandlungstisch zu zwingen, habe »bislang« nicht funktioniert. Einbezogen werden müssten auch Staaten, die Einfluss auf das diplomatische Bemühen haben.
Die Unterzeichner setzen sich für einen Frieden in der Ukraine ein, der deren »Souveränität« wahre und nicht »Aggressoren wie Putin belohnt«. Die Hamas wird aufgefordert, alle israelischen Geiseln sofort freizulassen. Man unterstütze die Forderung der israelischen Opposition, den Gazakrieg der Regierung von Benjamin Netanjahu zu beenden. Diese führe einen »Krieg ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung«. Die »Verteidigungsstrategie« des israelischen Regierungschefs im Libanon habe »mit den massenhaften Explosionen terroristische Züge angenommen«. Es brauche »die Sicherheit Israels gegen Terrorismus und Antisemitismus« sowie »Wohlstand, Selbstbestimmung und Humanität für das palästinensische Volk«.
Der Aufruf eröffnet übrigens damit, dass die SPD »seit ihrer Gründung vor 161 Jahren« bei allen »historischen Irrungen und Wirrungen« immer eine Friedenspartei gewesen sei. Zu diesen gehören dann wohl auch die Zustimmung zu Kriegskrediten 1914, die blutige Niederschlagung der Novemberrevolution durch den Sozialdemokraten Gustav Noske oder das Ja zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (24. September 2024 um 19:46 Uhr)Ich muss wirklich nicht alle küssen, die während einer Friedensdemonstration neben mir laufen. Aber wenn da niemand läuft, ist dem Frieden auch nicht besser gedient. In diesem Sinne: Willkommen SPD!
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