Commerzbank wird gefressen
Von Sebastian EdingerGut 18 Milliarden Euro hatte die Bundesregierung im Zuge einer Rettungsaktion während der globalen Finanzkrise 2009 in die existenzbedrohte Commerzbank gepumpt. Um das Feld möglichst rasch wieder für private Renditejäger freizumachen, steigt der Staat seit 2013 schrittweise aus. Nun nutzt die im norditalienischen Mailand ansässige Großbank Unicredit SpA die Gunst der Stunde und reißt sich immer größere Anteile der Konkurrenz aus Frankfurt am Main unter den Nagel.
So gab die Führung des laut Vorjahresbilanz 785 Milliarden Euro schweren Geldhauses am Montag bekannt, weitere Anteile der Commerzbank übernommen zu haben. Bereits vor knapp zwei Wochen überraschte sie mit dem Ankauf von 4,5 Prozent der Commerzbank-Anteile, die der deutsche Staat im Zuge der Vollendung seines Rückzugs zum Verkauf gestellt hatte. 702 Millionen Euro wurden dafür in die Hand genommen. Nun ist es den Investoren der italienischen Bank offenbar gelungen, durch die Nutzung verschiedener Finanzinstrumente am Aktienmarkt weitere Anteile zu erwerben.
»Zusammen mit der zuvor mitgeteilten Position von rund neun Prozent beträgt die Gesamtbeteiligung von Unicredit am Kapital der Commerzbank nun rund 21 Prozent«, hieß es aus der Konzernzentrale. Damit wurde der deutsche Staat als größter Einzelaktionär abgelöst. Der Coup kam auch für die Bundesregierung überraschend, hatte die Unicredit-Führung doch Ende vergangener Woche eine falsche Spur gelegt: Man strebe keine feindliche Übernahme an, sondern wolle im Einvernehmen mit der Bundesregierung handeln, hatte da Vorstandschef Andrea Orcel verlautbart. Jetzt wurden erst mal Fakten geschaffen.
Entsprechend konsterniert fielen die Reaktionen aus deutschen Regierungskreisen aus: Unfreundliche Attacken seien »nicht das, was für Banken eine gute Sache ist«, verlautbarte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag abend während eines Besuchs in New York. Die Bundesregierung halte es »nicht für ein angemessenes Vorgehen in Europa«, sich »ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache« an Unternehmen zu beteiligen. Weiter betonte Scholz, die Commerzbank sei wirtschaftliche erfolgreich und übernehme eine wichtige Funktion bei der Finanzierung des deutschen Mittelstands. Auch aus dem Bundesfinanzministerium hieß es, eine Übernahme unterstütze man nicht. »Dies haben wir Unicredit mitgeteilt.«
Konkrete Konsequenzen wurden jedoch nicht angekündigt. Am Mittwoch soll das Thema im Finanzausschuss des Bundestages aufgerufen werden. Derweil warnt die Gewerkschaft Verdi, Orcel werde bei der Commerzbank »auf eine sehr kämpferische Belegschaft treffen, die sich wehren wird«. Der Gesamtbetriebsrat befürchtet laut einer Stellungnahme im Falle einer erfolgreichen Übernahme die Streichung von zwei Dritteln der bestehenden Arbeitsplätze und eine neue Welle von Filialschließungen. Ähnlich lief es 2005 bei der Hypovereinsbank, nachdem diese von der Unicredit geschluckt worden war.
Vom Bund erwarten die Belegschaftsvertreter, dass er die Übernahme verhindert. Sonst drohe »das Ende der Commerzbank in ihrer jetzigen Form«. Noch gibt es Handlungsspielräume, noch ist der Übernahmeprozess längst nicht abgeschlossen. Wie die Unicredit-Führung am Montag weiter bekanntgab, hat sie allerdings bereits bei der Europäischen Zentralbank beantragt, ihren Anteil an der Commerzbank weiter auf 29,9 Prozent erhöhen zu dürfen. Auch dass eine Komplettübernahme angestrebt wird, wurde bereits bekanntgemacht. Die Entscheidung darüber solle jedoch unter Berücksichtigung »der Gespräche mit der Commerzbank, ihrem Vorstand und Aufsichtsrat sowie generell mit allen Beteiligten in Deutschland« gefällt werden.
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